Bei der Betrachtung von RFID zur Automatisierung von Produktionsprozessen standen bislang meist die Optimierung der Prozesse und die resultierenden Kosteneinsparungen im Mittelpunkt. Da in der Produktion auch Nachhaltigkeitsaspekte immer wichtiger werden, zeigt der folgende Beitrag erzielbare Nachhaltigkeitseffekte des RFID-Einsatzes auf und geht auf Bewertungsansätze der Nachhaltigkeitseffekte ein. Der Begriff der Nachhaltigkeit umfasst grundsätzlich drei Dimensionen: Ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit. Bei einer ökologisch nachhaltigen Produktion steht der umweltschonende Einsatz der Ressourcen (z.B. der sparsame Einsatz von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder Teilen) im Vordergrund.
Eine Produktion ist im ökonomischen Sinne als nachhaltig zu bezeichnen, wenn durch Kosteneinsparungen (z.B. aufgrund von Effizienzsteigerungen im Produktionsprozess) die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gefördert wird. Die Produktion ist sozial nachhaltig, wenn Prozessverbesserungen in der Produktion erreicht werden, die die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter dauerhaft (z.B. durch weniger belastende oder monotone Tätigkeiten und eine erhöhte Ergonomie des Arbeitsplatzes) verbessern [1].
Zur Automatisierung von Produktionsprozessen werden vermehrt neue Technologien wie Radio Frequency Identification (RFID) eingesetzt. Bei den auch als Transponder oder Tags bezeichneten RFID-Computerchips handelt es sich um an Objekten angebrachte Datenträger, bei denen Daten mit einem Lese- bzw. Schreibgerät ausgelesen und gespeichert werden können. Die Funktionsweise und Arten der RFID-Technologie [2] sind in Bild 1 dargestellt.

RFID-Anwendungen in der Produktion
Die RFID-Technologie wird vornehmlich in der Logistik, zunehmend aber auch in der Produktion angewendet [3]. In Tabelle 1 sind exemplarisch einige RFID-Anwendungen zur Automatisierung der Produktionsprozesse dargestellt (vgl. z.B. [4], [5], [6] und [7]). Diese Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie konzentriert sich auf die RFID-Anwendungen, die Auswirkungen auf die ökologische und die soziale Dimension der Nachhaltigkeit haben. RFID-Anwendungen, die nur die ökonomische Dimension betreffen, sind in Tabelle 1 nicht erfasst, da die Anwendungen zur automatisierten Produktion derzeit bereits im Hinblick auf ökonomische Aspekte der Nachhaltigkeit wie die wirtschaftliche Effizienz und die damit verbundenen Kostengesichtspunkte betrachtet werden.
Bewertungsansätze der Nachhaltigkeitseffekte
Bei der Bewertung des Nutzens von RFID-Anwendungen steht bisher meist die Ermittlung von Kosteneinsparungen im Mittelpunkt, so dass lediglich die ökonomische Nachhaltigkeit durch diese Bewertungsansätze abgeschätzt werden kann. Die Bewertung der ökologischen und sozialen Effekte wird hingegen häufig vernachlässigt, so dass die existierenden Bewertungsansätze um diese Aspekte zu ergänzen sind.
Mehrere der in Tabelle 1 dargestellten Anwendungen der RFID-Technologie führen zu einem geringeren Ressourcenverbrauch und sind damit für die ökologische Nachhaltigkeit besonders bedeutsam. Ein geringerer Verbrauch führt zu geringeren Belastungen für die Umwelt, da die Rohstoffvorkommen geschont und so effizienter genutzt werden. Die umweltbelastende Gewinnung der Ressourcen wird verringert, und es entfallen CO2-Emissionen aufgrund weniger erforderlicher Transporte zur Beschaffung. Daneben reduzieren sich auch alle für die Umwelt relevanten Effekte, wie z.B. der Energie- oder Wassereinsatz, der durch die weitere Be- und Verarbeitung der Rohstoffe zu Teilen, Zwischen- oder Endprodukten entsteht. Außerdem können durch RFID auch negative Umweltauswirkungen einer Entsorgung von Fehlproduktionen und Ausschuss vermindert werden. Zur konkreten Bewertung der ökologischen Effekte sind zunächst Auswertungen über Fehlproduktionen und Ausschuss sowie erforderliche Nachproduktionen bzw. Entsorgungen ohne und mit RFID gegenüberzustellen. Die Daten zu hiermit verbundenen Umwelt- und Klimaeffekten können mit Ökobilanzen ermittelt werden, in denen entsprechende Daten für die Herstellung eines Produktes zusammengefasst werden. Hierzu zählen z.B. der Carbon-Footprint (CO2-Emissionen) oder der Water-Footprint (Wasserverbrauch) bei der Gewinnung und Weiterverarbeitung der Ressourcen. Zur Generierung entsprechender Daten wäre denkbar, den bestehenden RFID-Standard auf Produktebene EPC bzw.
EPCglobal (Elektronischer Produkt Code in Europa bzw. außereuropäisch) um diese Informationen zu erweitern und diese auf dem an Rohstoffen, Teilen usw. angebrachten Transponder zu speichern. Derzeit werden mit dem EPC bzw. EPCglobal ähnlich wie beim Barcode die Produkte eindeutig identifiziert. Produkteigenschaften sind bei den beiden Standards bislang nicht vorgesehen. Durch eine Erweiterung der Standards um die genannten RFID-Daten lassen sich die Umwelteffekte durch weniger erforderliche Ressourcen in der Produktion und damit die ökologischen Nachhaltigkeitseffekte durch RFID quantifizieren.
Eine erhöhte Ressourceneffizienz durch die in Tabelle 1 dargestellten RFID-Anwendungen verbessert nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit. Sie führt auch zu einer höheren ökonomischen Nachhaltigkeit. Zur Bewertung der Einsparungspotenziale durch eine höhere Ressourceneffizienz existieren derzeit noch keine einheitlichen Standards [8]. Das konkrete Einsparungspotenzial durch RFID lässt sich beispielsweise mit Hilfe der oben genannten Auswertungen über Fehlproduktionen und Ausschuss sowie Nachproduktionen bzw. Entsorgungen ermitteln, indem z.B. die Fehlproduktionen mit den Produktionsstückkosten der Kostenrechnung bewertet und die entfallenden Entsorgungskosten addiert werden. Das so ermittelte Einsparungspotenzial wird zukünftig tendenziell ansteigen, da die in den Produktionsstückkosten enthaltenen Rohstoffpreise aufgrund einer zunehmenden Rohstoffknappheit derzeit steigen. Gegenüber dem Jahr 2010 ist der Preisindex für Industrierohstoffe in den ersten Monaten 2011 bereits um ca. 20% gestiegen und hat damit das Rekordhoch aus dem Jahre 2008 wieder überschritten [9]. Bei einer Ressourceneinsparung in Höhe von 20% gegenüber dem Stand von 2010 ergäbe sich eine Einsparung von ca. 100 Milliarden Euro pro Jahr in Form reduzierter Ausgaben für Rohstoffe usw. bei deutschen Unternehmen [10]. Neben den direkt zurechenbaren Rohstoffkosten sind auch weitere Einsparungen, wie z.B. die mit den Rohstoffen verbundenen Logistik- oder Energiekosten, einzubeziehen [8], um durch die gesamten Kosteneinsparungen die ökonomischen Nachhaltigkeitseffekte des RFID-Einsatzes zu bestimmen.

Die in Tabelle 1 dargestellten RFID-Anwendungen erhöhen schließlich auch die soziale Nachhaltigkeit. Die Bewertung von Effekten des RFID-Einsatzes auf die Arbeitsbedingungen in der Produktion kann derzeit nur ansatzweise über die erzielten Prozessverbesserungen erfolgen, die sich in weniger Arbeitsvorgängen, Arbeitszeit usw. und damit in geringeren Produktionskosten zeigen. Für eine aussagekräftigere Bewertung sind demnach Standards zu entwickeln, um die konkret zu erwartenden sozialen Nachhaltigkeitseffekte des RFID-Einsatzes in der Produktion quantifizieren zu können.
Unabhängig von der betroffenen Nachhaltigkeitsdimension ist bei der Betrachtung der RFID-Anwendungen aus Tabelle 1 die Verknüpfung zwischen den ausgelesenen Daten der RFID-Computerchips und den hinterlegten Daten der Softwaresysteme (z.B. PPS-, MES- oder ERP-Systeme; vgl. Bild 1) von zentraler Bedeutung. Die Transponder liefern diesen Systemen Echtzeitinformationen, so dass sich die Planungsqualität verbessert. Die RFID-Daten ermöglichen durch die permanente Datenübertragung neben den aufgezeigten Effekten auch eine papierlose Dokumentation des Produktionsablaufs und tragen in Verbindung mit der Wiederbeschreibbarkeit der Transponder zu Ressourcen- und Kosteneinsparungen durch weniger Papierverbrauch bei. Eine papierlose Dokumentation kann auch manuelle Fehler, Doppelerfassungen oder Nachbearbeitungen nahezu vollständig vermeiden [3]. Mit einer automatisierten Produktion per RFID sind daher eine höhere Planungs- und Prozessqualität sowie die daraus folgenden Ressourcen- und Kosteneinsparungen verbunden. Auch die Arbeitsbedingungen verbessern sich durch weniger Aufwand beim Führen und Ausfüllen von Papierlisten. Diese Effekte und die in Tabelle 1 aufgezeigten Effekte führen daher insgesamt zu einer Erhöhung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit der Produktion.
Abschließend ist anzumerken, dass bei der RFID-Einführung die angestrebten Effizienz- und Kostenvorteile nur bei einer Anpassung der Produktionsprozesse an die neue Technologie erzielt werden können [11]. Ein ähnlicher Zusammenhang ist auch in Bezug auf die erzielbaren Nachhaltigkeitseffekte zu erwarten. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass eine ganzheitlich nachhaltig ausgerichtete Produktion nur durch eine ebenfalls nachhaltige Produktion der Transponder (z.B. durch recyclebare Einsatzstoffe) erreicht werden kann. Zusätzlich sind neben dem RFID-Einsatz auch Aspekte wie z.B. energieeffiziente Produktionsgebäude und Maschinen oder regenerative Energiequellen zu beachten.
Fazit
Bei der Automatisierung von Produktionsprozessen ergeben sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten der RFID-Technologie, die die Nachhaltigkeit erhöhen. Unter den Voraussetzungen einheitlicher Standards und der Datensicherheit ist der RFID-Einsatz damit ein Baustein für einen langfristigen Wettbewerbsvorteil. Bei Entscheidungen zur Einführung der RFID-Technologie sollten daher zukünftig die Effekte auf die Nachhaltigkeit im Produktionsprozess berücksichtigt werden. Zur genauen Klärung der Umsetzbarkeit der Nachhaltigkeitseffekte im konkreten Anwendungsfall sind vor einer Einführung z.B. Projektstudien und Versuche durchzuführen. Nur so können die exakt zu erwartenden Nachhaltigkeitseffekte bestimmt und später nach Einführung der Technologie auch tatsächlich realisiert werden.
Literatur:
[1] Krüger, J.: Nachhaltige Produktion durch flexible Automatisierung. In: ZWF Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, 102. Jg. 2007, Heft 6, S. 332 – 334[2] Finkenzeller, K.: RFID-Handbuch, Grundlagen und praktische Anwendungen von Transpondern, kontaktlosen Chipkarten und NFC. 5. Aufl. München 2008
[3] Rhensius, T., Dünnebacke, D.: Auto-ID-Systeme in der Produktion, Verbreitung, Nutzen und wirtschaftlicher Einsatz. In: PPS Management, 14. Jg. 2009, Heft 1, S. 29 – 32
[4] Aurich, J.C., Faltin, M., Gómez Kempf, F.A.: Mit RFID auf dem Weg zu intelligenten Werkzeugen. In: PPS Management, 14. Jg. 2009, Heft 1, S. 22 – 25
[5] Laternser, P.: RFID erobert den Anlagenbau. In: Lebensmittel-Industrie, 17. Jg. 2008, Heft 5/6, S. 12 – 13
[6] Scholz-Reiter, B., Gorldt, C., Hinrichs, U., Tervo, J.T., Lewandowski, M.: Simulation eines RFID-Systems im Kanban-Kartenkreislauf eines Produktionsunternehmens. In: PPS Management, 13. Jg. 2008, Heft 3, S. 16 – 19
[7] Unruh, V.: Viele neue Produktionsprozesse werden auf RFID angewiesen sein. In: MM Maschinenmarkt, 116. Jg. 2010, Heft 47, S. 26 – 27
[8] Schmidt, M., Schneider, M.: Kosteneinsparungen durch Ressourceneffizienz in produzierenden Unternehmen. In: uwf UmweltWirtschaftsForum, 18. Jg. 2010, Heft 4, S. 153 – 164
[9] Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI): HWWI-Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe (US-$-Basis), Update 11.2.2011. Hamburg 2011
[10] Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) (Hrsg.): Gruen produzieren, Green Production Technologies. Köln 2010
[11] Schuh, G., Gottschalk, S., Pulz, C.: Grenzen von RFID in der Produktion. In: Industrie Management, 23. Jg. 2007, Heft 5, S. 27 – 30
Tags: Nachhaltigkeit Nachhaltigkeitsbewertung Produktionsprozess RFID