Qualität

Messung der Kundenzufriedenheit

Lesedauer:  7 Minuten
Beitragsbild: Messung der Kundenzufriedenheit

Die Auswertung von Reklamationen ist mehr als unzureichend, um die Kundenzufriedenheit zu bewerten. Ein gut konzipiertes und umgesetztes Befragungskonzept ist die Grundlage für die ständige Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen. Deshalb sollte jedes Unternehmen ein Instrument zur Messung und Bewertung entwickeln. Die Integration dieses Instruments in ein Qualitätsmanagementsystem ist möglich und sollte Teil jeder Initiative zur Verbesserung der Qualität sein.

Das Projektgeschäft ist durch eine Reihe von Besonderheiten gekennzeichnet, die bei der Messung der Kundenzufriedenheit zu berücksichtigen sind:

  • Der Kunde bzw. Auftraggeber ist mit solchen Projekten bzw. Leistungen eher selten konfrontiert.
  • Der Planungs- und Entwicklungsanteil in den Projekten ist vergleichsweise hoch. Viele Weichen werden erst im Laufe des Projekts und dann häufig gemeinsam durch den Kunden bzw. Auftraggeber und Lieferanten des Projekts gestellt.
  • In großen und sehr komplexen Projekten gehören Auftraggeber und spätere Nutznießer häufig unterschiedlichen Gruppen an.

Im Folgenden wird ein äußerst pragmatisches Instrument vorgestellt, das zwar nicht auf alle Fragen eine Antwort geben kann, jedoch entscheidende Hinweise auf die Kundenzufriedenheit im Projektgeschäft ermöglicht.

Instrument der Messung der Kundenzufriedenheit

Im Produktgeschäft gehen die meisten Unternehmen von einer eindeutigen Erkenntnis aus. Reklamationen wären zwar der beste Indikator für die Kunden(un)zufriedenheit, aber nur ein geringer Anteil der unzufriedenen Kunden wendet sich in Form einer Beschwerde oder Forderung nach Gewährleistung oder Garantie an das Unternehmen.

Kundenbefragung - Fragebogen
Bild 1: Beispiel eines Fragebogens

Wir sind überzeugt, dass die Kundenbefragung im Projektgeschäft immer noch das beste Instrument ist, den Grad der Kundenzufriedenheit zu messen. Hierbei ist allerdings wichtig, einige Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Die Suche nach der „idealen“ Lösung sollte beim Kunden beginnen. Jeder Leser wird mit Sicherheit mehrmals im Jahr von Unternehmen zur Zufriedenheit befragt. In welchen Fällen wird die betreffende Unterlage (Fragebogen oder digitales Dokument auf einer Homepage bzw. eine E-Mail-Anfrage) beantwortet und wie häufig wird eine entsprechende Anfrage nicht beantwortet? Die Antwort ist relativ einfach. Der Kunde ist bereit, nur einen eng begrenzten Teil seiner Zeit für die Bearbeitung der Befragung einzusetzen. Fragenkataloge, die über viele Seiten reichen, werden in der Regel negativ gesehen und die Beantwortung wird abgebrochen oder gar nicht erst begonnen. Das erste bedeutende Kriterium für die Konzeption einer Zufriedenheitsbefragung ist deshalb, den Aufwand für den Kunden überschaubar zu halten und somit die Antwortbereitschaft und damit die Rücklaufquote zu erhöhen.
In Bild 1 ist beispielhaft ein Fragebogen abgebildet. Es handelt sich um ein fiktives Unternehmen, weshalb die gewählten Fragen in der aufgeführten Kombination nicht besonders sinnvoll sind. Die Fragen können auf einer DIN-A4-Seite untergebracht werden. Hierzu muss der Umfang der Fragen auf das Notwendigste begrenzt werden. Bei Marketing-, Vertriebs- und Serviceabteilungen weckt eine geplante Kundenzufriedenheitsbefragung oft „Begehrlichkeiten“, was häufig zu überladenen Fragenkatalogen führt. Diesen sollte nicht nachgegeben und ein „schlanker“ Fragebogen entworfen werden.
Die meisten Fragebogen zur Kundenzufriedenheit sind eindimensional. Bei Kundenbefragungen im Projektgeschäft ist ein zweidimensionaler Fragebogen ein Muss. Es wird, wie im Beispiel in Bild䇗, nach der Flexibilität der Mitarbeiter gefragt. Der Kunde kann dann anhand einer Skala seine Bewertung abgeben. Ein Aspekt geht hierbei jedoch verloren: Wie wichtig ist dem Kunden dieser Aspekt der Leistung? Aus diesem Grund ist ein zweidimensionaler Fragebogen so wichtig. Neben der Bewertung des Kunden wird die Bedeutung dieses Leistungsaspektes für den Kunden mit abgefragt.
Ein weiterer Aspekt des Fragebogendesigns ist die Auslegung der Skala, welche dem Kunden zur Differenzierung bei Bewertung und Bedeutung angeboten wird. Zu viele Bewertungsoptionen erschweren dem Kunden die Entscheidung, zu wenige schränken die Differenzierung ein. Im Beispiel (Bild䇗) hat der Kunde vier Bewertungsoptionen. Auch sechs Optionen wären akzeptabel. Was dem Kunden aber keinesfalls angeboten werden sollte, ist eine mittlere, neutrale Position. Im Beispiel hat der Kunde zwei Möglichkeiten einer negativen Bewertung (– und -) und zwei positive (++ und +). Eine neutrale Bewertung (z. B. o) wird zu einer häufigen Wahl dieser Option führen, da sich der Befragte möglicherweise nicht entscheiden kann. Die im Beispiel gewählte Alternative zwingt den Kunden zu einer eindeutig negativen oder positiven Bewertung.

Kundenzufriedenheit im Rahmen eines QMS

Viele Unternehmen verfügen über ein Qualitätsmanagement-System, welches nach DIN / ISO 9000ff. zertifiziert ist. In dieses wird das Instrument der Kundenzufriedenheitsmessung integriert. In diesem Fall sind Kriterien für die Evaluation der Ergebnisse der Messung sowie für das Auslösen eines Audits im Falle einer „kritischen“ Bewertung der Leistungen des Unternehmens festzulegen.
In Bild䇗 ist eine entsprechende Methodik dargestellt. Die jeweiligen Kriterien werden sowohl, was die Bedeutung als auch die Bewertung betrifft, mit Punkten belegt und führen je Kriterium zu einem Wert. Die Summe aller Werte führt zu einer Gesamtpunktzahl. Im Beispiel ist 100 die minimal mögliche Punktzahl und entspricht einer außerordentlich niedrigen Kundenzufriedenheit. Die höchst erreichbare Punktzahl ist 400 und entspricht einer sehr hohen Kundenzufriedenheit. Eine visuelle Darstellung des Ergebnisses (wie in Bild 䇗) ist zu empfehlen, da auf „einen Blick“ die Zufriedenheit erkannt werden kann.

Visuelle Darstellung - Beispiel zum Portfolio

Bild 2: Visuelle Darstellung des Ergebnisses

Im Rahmen eines Qualitätsmanagement-Systems bleibt noch die Aufgabe, einen Schwellenwert für die Durchführung eines Audits festzulegen. Im Beispiel wurde dieser Wert auf <250 Punkte fixiert. Die Festlegung ist eine Managemententscheidung, die vom angestrebten Zufriedenheitsniveau abhängt.

Auswertung der Ergebnisse

Die Auswertung der Ergebnisse der Befragung zur Kundenzufriedenheit kann direkt durch Betrachtung der einzelnen Kriterien erfolgen. Zur Visualisierung empfiehlt sich jedoch eine Portfoliodarstellung, welche insgesamt vier Zufriedenheitsklassen beinhaltet. Das Portfolio besteht aus zwei Dimensionen bzw. Achsen: die Wichtigkeit bzw. Bedeutung des jeweiligen Kriteriums und die Zufriedenheit des befragten Kunden. Bild 2 stellt ein Beispiel zum Portfolio dar.
Im linken unteren Quadranten befindet sich der unproblematische Teil der Zufriedenheitsaspekte. Die Zufriedenheit ist relativ gering und das jeweils betrachtete Kriterium hat eine geringe Bedeutung für den Kunden. Im Bild䇘gilt dies für das Kriterium „Zusammenarbeit Kunde / Mitarbeiter“ [3]. Die geringe Zufriedenheit des Kunden ist unproblematisch, es besteht kein dringender Handlungsbedarf.
Der rechte obere Quadrant kennzeichnet Kriterien, bei welchen sowohl eine hohe Bedeutung des Kunden gesehen wird, als auch eine hohe Kundenzufriedenheit besteht. Im Beispiel gilt dies für die „Erreichbarkeit der Mitarbeiter“(Nr. 14), die Anforderungen des Kunden werden in vollem Umfang erfüllt. Das Unternehmen befindet sich hier auf dem richtigen Weg. Der Vorsprung, den das Unternehmen hier möglicherweise gegenüber dem Wettbewerber erreicht hat, sollte weiter ausgebaut werden.
Das linke obere Segment kennzeichnet Kriterien des Leistungsbildes des Unternehmens, bei welchen zwar eine hohe Zufriedenheit ausgewiesen wird, dessen Bedeutung für den Kunden aber gering ist. Diese Zufriedenheitssituation ist zwar unkritisch, jedoch scheint das Unternehmen „des Guten zu viel“ getan zu haben. Im Beispiel in Bild䇘 gilt dies für die „Freundlichkeit der Telefonvermittlung“(Nr. 15). Die Zufriedenheit ist besonders hoch, dies ist dem Kunden aber nicht wichtig. Möglicherweise legt der Kunde mehr Wert auf eine schnelle Vermittlung zum Gesprächspartner, als auf besondere Freundlichkeit. Das Unternehmen hat vielleicht in die Schulung des entsprechenden Personals Ressourcen investiert, offensichtlich aber nur geringen Nutzen davon.
Das kritische Segment befindet sich im unteren rechten Quadranten des Portfolios. Unzufriedenheit bei gleichzeitiger hoher Bedeutung des Kriteriums erfordern kurzfristige Maßnahmen zur Verbesserung dieser nicht akzeptablen Situation. Im Beispiel ist dies die „Einhaltung von Lieferterminen“(Nr. 17). Diese ist für den Kunden sehr wichtig, wird jedoch nur sehr unzureichend erfüllt. Hier muss dringend gehandelt werden, um die Kundenzufriedenheit nachhaltig zu verbessern.

Ausschöpfung der Verbesserungspotenziale

Der Projektleiter berichtet in angemessenen Abständen dem Kundenverantwortlichen den Projektstatus und wird sich im Rahmen der Projektbesprechung ein Bild über die Zufriedenheit des Kunden machen. Er hat jedoch keine Gewissheit, wie die Kundenzufriedenheit tatsächlich ist. Die Kundenzufriedenheitsbefragung setzt an diesem Punkt an. Sie ist eine objektivierte Bewertung, hier nicht des Projekts, sondern der Einstellung des Kunden zur Projektleistung des Auftragnehmers. Was und wem nützt dies? Wir sehen drei wesentliche Ansatzpunkte:

  1. Die Auftraggeberseite ist in angemessenen Phasen im Projektverlauf und nach Abschluss des Projekts gezwungen, eine klare Aussage zu den Dimensionen des Fragebogens zu treffen und diese dem Auftragnehmer zu kommunizieren.
  2. Das Management, die Projektleitung und die Projektmitarbeiter können den Ball aufgreifen und entscheidende Schlüsse für Verbesserungsmaßnahmen ziehen.
  3. Das Management und die Projektleitung werden bei intakter Kundenbeziehung die Erkenntnisse aus der Kundenzufriedenheitsbefragung einschließlich Verbesserungsmaßnahmen mit dem Kunden diskutieren.

In Summe gehen wir davon aus, dass der Einfluss dieses Instruments auf den Projekterfolg und mögliche Nachfolgeaufträge erheblich ist.


Tags: Kundenkommunikation Kundenzufriedenheit Qualität Qualitätsmanagementsystem
Branchen: Branchenübergreifend

Literatur








[1] Pautsch, P., Gorecki, P.: Lean Management, Fachbuch Hanser-Verlag München in der Reihe Pocket Power, 2. Auflage, Juni 2011
[2] Pautsch, P.; Gorecki, P.: Praxisbuch Lean Management - Der Weg zur operativen Excellence“, München 2013







 

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