Homeoffice war bisher eine besondere Zusatzleistung, die Arbeitgeber anboten – und das überwiegend in den Führungs-Etagen. Wird sich das nach der Corona-Krise nun ändern? Oder wollen die Mitarbeiter jetzt ohnehin nur eines – ins Büro zurück? Ein Gespräch darüber mit Jan Digutsch vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung.
Herr Digutsch, Sie arbeiten im Moment von zu Hause aus. Wie sieht es generell am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung aus? Wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Hause geschickt?
Bei uns ist die Ansage gemacht worden, dass alle, die nicht unbedingt in den Laboren gebraucht werden, von zu Hause aus arbeiten sollen. Ich schätze, dass sich die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter bei uns mittlerweile im mobilen Arbeiten befindet.
In vielen Unternehmen ist das im Moment auch so. Controller beispielsweise können nach Hause, Produktionsmitarbeiter müssen in die Fabrik. Das kann dann auch zu einem Gefühl von Ungerechtigkeit führen. Wie sollen Unternehmen das am besten kommunizieren?
Da gibt es zwei wichtige Stellschrauben. Einmal die offizielle Kommunikation, sprich von der Personalabteilung und von der Geschäftsführung. Und einmal den inoffiziellen Weg. Dazu gehören dann die Bereichs-und Abteilungsleitung. Hier sollten die kurzen Betriebswege zur Absprache genutzt werden. In beiden Fällen ist Transparenz sehr wichtig. Es muss Regeln geben, aber die müssen für alle Mitarbeiter verständlich und nachvollziehbar sind. Es sollte nie das Gefühl aufkommen, dass manche bevorzugt und manche benachteiligt werden. Das gilt natürlich nicht nur für das Home-Office. Was ich häufig mitbekommen habe, ist die Umstellung auf die Arbeit im Schichtsystem. In einem Zweier-Büro wechselt man sich nun ab. Einen Tag kommt der eine ins Büro, einen Tag der andere. Man kann hier als Arbeitgeber individuellen Spielraum bieten, damit die Mitarbeiter sich untereinander absprechen können. Wie das auch bei der Urlaubsplanung gemacht wird.
Home-Office galt bisher vor allem als Belohnung und war überwiegend in Führungspositionen anzutreffen. Wird sich das nun ändern?
Vor der Corona-Krise war es tatsächlich mehr ein Privileg des Arbeitgebers, Home-Office als zusätzliches Benefit anzubieten. Nach dem Motto: Wir sind ein toller Arbeitgeber, weil wir Home-Office unter bestimmten Bedingungen möglich machen. Das ist etwas, was viele – vor allem mittelständische Unternehmen – bis dato vor allem aus Kostengründen nicht angeboten haben. Wenn ein Mitarbeiter Interesse an Home-Office hatte, dann standen vor allem folgende Überlegungen im Raum: Muss nun das ganze EDV-System umgestellt werden, damit jeder einen VPN-Zugang zu Hause hat? Für einen Mitarbeiter allein die Umstellung zu machen, reicht natürlich nicht, sondern wenn dann gleich für alle Mitarbeiter. Lohnt sich eine solche Investitionen überhaupt? Das war also bisher eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Jetzt ist der Fall eingetreten, dass Home-Office adhoc eingeführt und die technischen Voraussetzungen geschaffen werden mussten. Das wird vielen Unternehmen nun positiv in die Karten spielen. Unternehmen können dieses Angebot nun als Benefit anbieten. In Zukunft wird also nicht mehr die Frage sein, ob ich Home-Office anbieten kann, sondern möchte ich das als Arbeitgeber und kann ich meinen Mitarbeitern vertrauen.
Warum spielt Vertrauen hier eine Rolle?
Eher konservativere Arbeitgeber werden nun teilweise merken, dass die Leistung der Mitarbeiter zu Hause nicht nachlässt. Natürlich gibt es Personen, die schlechter von zu Hause aus arbeiten können. Aber wenn wir uns die Studien anschauen, ist mir bis dato keine bekannt, in der die Leistung der Arbeitnehmer zu Hause nachgelassen hätte. Im Gegenteil, sie steigt in manchen Fällen sogar. Und da werden nun viele Arbeitgeber sehen, dass ihre Sorgen unbegründet waren und sie zwei Tage die Woche Home-Office anbieten können, wenn der Arbeitnehmer das wünscht.
Wollen Mitarbeiter nach der Erfahrung der Zwangsversetzung nach Hause überhaupt noch im Home-Office arbeiten? Wie ist Ihre Prognose?
Ich würde hier unterscheiden zwischen dem klassischen Home-Office und dem, das der Krise geschuldet ist. Im Moment sind durch die Zwangs-Corona-Lage in vielen Fällen Partner und Kinder zu Hause. Das ist natürlich eine extreme Stressbelastung, wenn die Eltern während der regulären Arbeitszeit noch ihre Kinder beschäftigen müssen. Das ist keine entspannte Arbeitsatmosphäre mit den Unterbrechungen und dem ständigen Multitasking. Zu normalen Zeiten ist man dann ja wahrscheinlich allein zu Hause, die Kinder sind in der Schule, der Partner im Büro. Wenn wir wieder in das normale Leben zurückgekehrt sind, ist das Home-Office prinzipiell ein geeigneter Ort, um vernünftig zu arbeiten. Gerade wenn es um die Vorteile geht. So ist es möglich, die Kinder mittags von der Schule abzuholen oder sich um eine pflegebedürftige Person zu kümmern. All diese Vorteile sind unter normalen Bedingungen gegeben und können wirken. Viele, die jetzt mit Partner und Kindern zu Hause waren, werden sich vermutlich nun auf ihr Büro freuen. Langfristig gesehen denke ich, dass viele Arbeitnehmer Home-Office aufgrund der Vorteile aber gerne in Anspruch nehmen werden.
In vielen öffentlichen Institutionen war es technisch nicht möglich auf die Schnelle Home-Office anzubieten. Da ging es für die meisten immer noch täglich ins Büro. Glauben Sie, dass Unternehmen wie Behörden sich künftig auf solche Ausnahmezustände vorbereiten werden?
Was ich hier befürchte ist, dass in der Post-Corona-Zeit relativ schnell alles wieder vergessen sein wird. Schon aufgrund der Wahrscheinlichkeit, wie oft überhaupt so eine Pandemie ausbricht. Generell ist es natürlich besonders bei den systemrelevanten Berufen sinnvoll sich, unabhängig von einer Pandemie, auf Ausnahmezustände vorzubereiten, um die Abläufe des Kerngeschäfts zu sichern. Es reicht beispielsweise, wenn Mitarbeiter eines Unternehmens erkranken. Dafür sollte eine Prozessorganisation geschaffen werden, die das dann ein wenig abfedert. Die einfachste Sache ist erstmal, die grundlegenden Arbeitsprozesse zu digitalisieren, sofern möglich. Es braucht natürlich die nötigen Software-Schnittstellen dafür, damit – sollte es zu einer neuen Ausnahmesituation kommen – nur noch der Schalter umgelegt werden muss.
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