Digitalisierung

Business Analytics

Spezialisten gewinnen und halten
Lesedauer:  6 Minuten

Business-Analytics-Spezialisten sind in Zeiten der Digitalisierung ein knappes Gut. Der Beitrag stellt Business-Analytics-bezogene Aus- und Weiterbildungsangebote inländischer Hochschulen dar und beleuchtet deren Beitrag für die Fachkräftegewinnung und -bindung von Unternehmen.

Die Corona-Pandemie dämpfte zwar kurzfristig die wirtschaftliche Dynamik und damit auch die Nachfrage nach Fachkräften. Dennoch ist die hohe Nachfrage nach Business Analytics Fachkräften nicht zu leugnen. Diese dürfte in Zukunft sogar deutlich zunehmen. Dabei ist nicht zu erwarten, dass das wachsende Aus- und Weiterbildungsangebot von Hochschulen und weiteren Anbietern den existierenden Fachkräftemangel entspannen kann.

Kompetenzprofil

Nach einer gängigen Einteilung werden die Business Analytics anhand des Analyseziels in die Analyseklassen Descriptive Analytics, Predictive Analytics und Prescriptive Analytics unterschieden [1]. Hierbei kommt eine große Vielfalt von quantitativen Verfahren aus den Bereichen Statistik, Operations Research und Künstliche Intelligenz (bspw. Machine Learning / Deep Learning) zum Einsatz. Neben der Anwendungskompetenz für diese breite Fülle an quantitativen Verfahren benötigen volle ausgebildete Business Analytics Spezialisten weitere Kompetenzbausteine: Hierzu zählen insbesondere IT-Skills (bspw. aus der Praktischen Informatik, wie Programmierfertigkeiten und der Umgang mit Datenhaltungssystemen) und BWL-Kenntnisse (mit quantitativem Bezug, bspw. Controlling). Abgerundet werden die Kompetenzen eines voll produktiven Business Analytics Spezialisten durch Kenntnis der Branchen- und Unternehmensspezifika.

Es wird deutlich, dass es sich hierbei um ein anspruchsvolles, spezialisiertes Kompetenzprofil innerhalb der Wirtschaftsinformatik handelt, das eine zielgerichtete Ausbildung erfordert, welche primär auf hochschulischem Niveau angesiedelt sein sollte. Allerdings bauen die Hochschulen erst seit wenigen Jahren spezialisierte Business Analytics Studienangebote (Tabelle 1, bewusst sind rein technisch orientierte Data-Science-Angebote ohne betriebswirtschaftlichen Domänenbezug nicht aufgeführt) auf, so dass bislang nur wenige Absolventen im Markt sind.

Stattdessen dominieren Fachkräfte mit Abschlüssen in den Schnittstellendisziplinen (Wirtschafts-) Informatik und BWL sowie Quereinsteiger aus Studiengängen mit starkem quantitativem Bezug, wie Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Diese sind typischerweise mit einer individuellen Mischung aus Training-on-the-job und eher kleinteiligen Schulungsangeboten für ihre jeweilige Aufgabe qualifiziert worden. Folge dieser „Umwegsqualifikation“ ist die Tendenz zur Überanpassung der aufgebauten Skills auf die aktuell zu bewältigende Aufgabe. Überblickswissen über das Feld der Business Analytics fehlt damit oft, die Weiterentwicklung in neue Themen ist erschwert.

Aus- und Weiterbildungsangebote 

Beim Blick auf das sich dynamisch entwickelnde Aus- und Weiterbildungsangebot der Hochschulen im Bereich Business Analytics lassen sich vier Klassen von vollwertigen Studienangeboten identifizieren:

  • Eigenständige Bachelorstudiengänge
  • Business Analytics Studienrichtungen innerhalb bestehender Bachelorstudiengänge
  • Vollzeit-Masterstudiengänge
  • Berufsbegleitende Masterstudiengänge

Hinzu treten Weiterbildungsangebote, die vom Workload-Umfang her unterhalb eines Hochschulabschlusses angesiedelt sind und meist eng umrissene Spezialthemen in den Fokus rücken: Diese werden als Kontaktstudium, Certificate of Advanced Studies (CAS), Diploma of Advanced Studies (DAS) oder auch als Micro-/Nano-Degree vermarktet. Typisch ist für diese Angebote ist jedoch das hochschulische Lehrniveau, welches sich von klassischen Schulungsanbieter-Formaten abhebt.

Bachelor-Studiengänge

Da es sich bei Business Analytics um eine spezialisierte Wirtschaftsinformatik-Disziplin handelt, die zudem von einer hohen Fachkräftenachfrage gekennzeichnet ist, spricht eigentlich nichts dagegen, direkt bereits auf Bachelorniveau spezialisiert auszubilden, zumal ein Berufseinstieg nach einen Wirtschaftsinformatik-Bachelor (im Gegensatz zu vielen anderen Disziplinen) auch absolut üblich ist.

Dennoch existieren aktuell (August 2020) nur vereinzelte Bachelorstudienangebote für Business Analytics, die zu einem erheblichen Anteil an privaten Hochschulen angesiedelt sind. Die bundesweit einzigen staatlichen Hochschulen, die das Segment bearbeiten, sind die Hochschule Aalen
(B. Sc. Business Analytics) sowie die Universitäten Jena und Ulm (Studienrichtung Business Analytics innerhalb eines B. Sc. Wirtschaftswissenschaften). Die Ursachen hierfür liegen wohl in der Förderpolitik der Bundesländer, die in den letzten Jahren primär Förderprogramme zur Errichtung neuer Masterstudiengänge aufgelegt haben. Hinzu kommt, dass der größere Workload-Umfang von Bachelorstudiengängen auch einen größeren Ressourcenbedarf nach sich zieht, was aus Hochschulsicht den Start von Angeboten auf Bachelorniveau erschwert.

Bereits ein Blick in die Niederlande reicht jedoch, um zu erkennen, dass international sehr wohl spezialisierte Business Analytics Bachelorstudiengänge eingerichtet werden. Hier haben mit der Universiteit van Amsterdam, der Vrije Universiteit Amsterdam und der Universiteit Maastricht gleich drei große, staatliche Universitäten entsprechende Studiengänge aufgebaut. So muss die Zurückhaltung deutscher Hochschulen in diesem Bereich wohl eher als Ausdruck von Ressourcenmangel verstanden werden.

Masterniveau-Studiengänge

Ganz anders sieht es bei den Masterstudiengängen aus. Hier ist seit wenigen Jahren aus den bereits genannten Gründen eine dynamische Entwicklung zu verzeichnen. Angebote werden gleichermaßen von privaten und staatlichen Akteuren, von Hochschulen für angewandte Wissenschaften (vormals Fachhochschulen) und Universitäten gestartet. Das wachsende Angebot trifft auf eine hohe studierendenseitige Nachfrage: So ist der M. Sc. Data Science und Business Analytics der Hochschule Aalen innerhalb kürzester Zeit zum bewerberstärksten berufsbegleitenden Masterstudiengang innerhalb der Hochschule aufgestiegen.

Die Masterstudiengänge (egal ob Vollzeit oder berufsbegleitend) sind dabei für breite Bewerberklientele attraktiv: Dazu zählen Absolventen grundständiger Studiengänge der Schnittstellendisziplinen (Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL) ebenso wie Quereinsteiger aus Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Die Hochschulen antworten hierauf mit adaptiven Elementen in den Curricula, die die Ursprungsqualifikation aus dem grundständigen Studium berücksichtigen. Beispiele hierfür sind im M. Sc. Business Analytics der Technischen Universität Freiberg (Vollzeit) und im M. Sc. Data Science und Business Analytics der Hochschule Aalen (berufsbegleitend) zu finden. So finden heterogene Eingangsqualifikationen im Laufe des Studiums zu einem homogenen Kompetenzprofil beim Abschluss zusammen.

Berufsbegleitenden Masterstudiengängen kommt hierbei die besondere Bedeutung zu, berufsintegriert weiterzubilden und damit ein besonderes Bindungsinstrument für Unternehmen darzustellen, um Potenzialträger für Business Analytics Aufgaben zu gewinnen und dauerhaft zu halten. Eine ganze Reihe von namhaften Unternehmen bietet hier sogar strukturierte Programme, die Berufstätigkeit mit dem berufsbegleitenden Studium verknüpft. Die Übernahme von Studiengebühren, Reisekosten und organisatorische Unterstützung sind dabei typische Merkmale. Beispiele hierfür sind Master@IBM der IBM Deutschland GmbH oder Bologna@Telekom der Deutschen Telekom AG.

Durchgängiges Merkmal berufsbegleitender Masterstudiengänge ist die Erhebung von Studiengebühren (diese reichen von 8.332 € für die 90-CP-Variante des M. Sc. Data Science und Business Analytics der Hochschule Aalen bis hin zu 24.000 € beim M. Sc. Consulting & Business Analytics der Hochschule Reutlingen). Dies ist unabhängig davon, ob es sich um eine staatliche oder private Hochschule handelt. Auch staatliche Hochschulen müssen weiterbildende, berufsbegleitende Studiengänge in Vollkostendeckung durch Studiengebühren finanzieren. Als Lehrmodelle sind sowohl Präsenz-, Blended-Learning und Online-Konzepte im Markt, so dass sich das für den eigenen Bedarf passende Angebot finden lässt.

Kontaktstudium und Co. 

Anbieter von berufsbegleitenden Business Analytics Masterstudiengängen bieten in der Regel auch kleinteiligere, in sich geschlossene Angebote als Kontaktstudium an.

Zum Weiterlesen klicken Sie hier

Literatur

[1] Seiter, M.: Business Analytics, 2. Auflage. München Vahlen 2019.


Tags: Aus- und Weiterbildung Business Analytics Mitarbeiterbindung Mitarbeitergewinnung

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