Produktionsplanung, Logistik

Wenn der Terminator Einzug in die Produktion der Zukunft hält

Lesedauer:  5 Minuten

Seit der Einführung der CNC-Technik haben wir im Maschinenbau keine echte Innovation mehr erlebt. Doch damit ist jetzt endlich Schluss, denn das Werkzeug der Zukunft steht schon vor der Tür. In den nächsten Jahren revolutioniert es die Produktion und Logistik nachhaltig – und bringt Vorteile für Unternehmen und die Umwelt. Warum es dies aus der Luft tut und wie Sie dabei Kosten und Ressourcen sparen, das verrät Jürgen R. Schmid.

Seit dem Aufkommen der innovativen CNC-Technik in den 1980er Jahren schaue ich mir in Deutschland an, wie Maschinen nur noch optimiert werden. Von echter Innovation weit und breit keine Spur mehr. Der Maschinenbau steht seither still, Maschinen werden nur noch größer, schneller, vielleicht noch präziser. Aber damit ist es auch schon wieder getan, das Wunderwerk der Technik.

Das Wunderwerk? Wirklich?

Nun, ich hatte genug gesehen. Und lud daher im Frühjahr 2017 Maschinenbauer, Designer, Vertreter der Robotik und Software ein, sich mit mir die Frage zu stellen: „Wie sieht das Werkzeug der Zukunft aus?“
Wir wagten also den Blick in die Kristallkugel – und entwickelten dabei die Produktion der Zukunft neu.

Schmid, Terminator, Bild 1
Bild 1: Die Werkzeugdrohnen verankern sich mit dem Shuttle, auf dem das Werkstück aufgespannt ist und bearbeiten es dort. Für die Bearbeitung spannt sich die Drohne über das Werkstück und verhindert damit, dass beispielsweise Späne und Schmiermittel den Bearbeitungsraum verlassen.

Gemeinsam in die Zukunft

Wenn sich Maschinenbauer, Werkzeughersteller, Robotiker und Industrial Designer herausnehmen, die Zukunft revolutionieren zu wollen, dann mag das für Sie nach einem wahllosen Potpourri und einem abgehobenen Unterfangen klingen. Auch die harten „Industriemenschen“, die wir mit unserem Konzept konfrontierten, taten es zunächst als „nette Idee“ ab. Doch auch sie bemerkten schnell, dass davon keine Rede sein kann.

So bunt unsere Wirtschafts- und Industriewelt sein mag, so sehr halten neue Technologien, Digitalisierung, Industrie 4.0, Internet of Things, Künstliche Intelligenz – und wie sie nicht alle heißen – gleichermaßen Einzug in alle Metiers. Und sind schon lange keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität.

Die Maschinen, wie wir sie heute kennen und in der Produktion und Logistik nutzen, werden im Laufe der nächsten Jahre aussterben und abgelöst. Denn das Werkzeug der Zukunft fliegt – und ist ein wahrer Terminator.

Die Produktion der Zukunft fliegt

Das Werkzeug der Zukunft muss gleich mehrere Dimensionen sinnvoll erfüllen: Denn während der Werkzeughersteller den Anspruch hat, dass sich ein Werkzeug flexibel vom Bohrer zur Fräse verändert, sieht der Maschinenbauer das Werkzeug eher im Umfeld der Produktionstechnik. Bisher arbeiten wir mit Metallbearbeitungsmaschinen, Spritzgießmaschinen, 3D-Drucker etc., doch zukünftig werden all diese Funktionen zusammengeführt. So unsere gemeinsame Vorstellung.

Das Ergebnis, das wir durch die Zusammenführung aller Einzelideen entwickelten, war schließlich eine Drohne. Wir konzipierten einen Entwurf, nach dem Werkzeuge in Zukunft nicht mehr fest an große Bearbeitungsmaschinen montiert würden, sondern Drohnen die individuell benötigten Werkzeuge zum Werkstück fliegen und dieses dort bearbeiten. Auch das Werkstück selbst ist nicht befestigt, sondern mobil mit einem Shuttle gekoppelt und kommuniziert seinen Bedarf mit der Drohne.

Schmid, Terminator, Bild 2
Bild 2: Die Werkzeugdrohnen werden von den Bearbeitungszentren bei Bedarf angefordert. Unterschiedliche Arbeitsschritte werden dabei von unterschiedlichen Drohnen ausgeführt.

Hoch hinaus

Ich verstehe, wenn Sie nun mit Blick auf Ihre Maschinenparks und Logistikketten Einspruch erheben. Fuhrparks, Werkhallen und Produktionsstraßen funktionieren schließlich seit Jahren und waren nicht umsonst eine der größten Errungenschaften der Industrialisierung.

Doch die Vorteile des Werkzeugs sprechen für sich. Die neuen Produktionseinheiten benötigen keine großen Fertigungshallen mehr, sondern können je nach Werkstück in Räumen mit einer Deckenhöhe von einem Meter operieren. Sie sind zudem leicht, wodurch keine Traglasten mehr entstehen, wie es aktuell noch in traditionellen Fabrikhallen der Fall ist. So könnten Sie sie in einem Hochhaus – einem sogenannten „Supertall“ – unterbringen und 50 Stockwerke übereinander nutzen.

Noch dazu sinken die Energiekosten – zum einen weil die kleineren Maschinen weniger Energie benötigen als große, zum anderen weil Drohnen bei zehn Grad Celsius Raumtemperatur ebenso stabil arbeiten wie bei 20 Grad. Eine Werkhalle auf „Menschentemperatur“ hochheizen? Das gehört der Vergangenheit an!

Der Terminator im Kleinstformat

Durch die Kommunikation zwischen Werkstück und Werkzeug können Drohnen problemlos auch über große Werkstücke fliegen und diese bearbeiten. Produktionen und dadurch Produkte werden günstiger, weil sie ohne große, teure Maschinen auskommen.

Aufgrund der Flexibilität der Drohne ist es egal, ob ich eben noch eine Fräse, einen Schweißroboter oder eine Lackiereinheit daran montiert hatte, da sie alle die gleiche Schnittstelle haben. So entstehen eine hohe Flexibilität und individuelle Produkte zum seriellen Preis.

Im Endeffekt wird ein Unternehmen ein Produkt entwickeln und die Produktionskapazitäten bei einem Produktionspark einkaufen. Zu einem festen Preis und einer kürzestmöglichen Lieferzeit. Denn die Produktionslandschaft bekommt lediglich die Daten und kann überall sitzen. Genauso ist es vorstellbar, dass es Mini-Einheiten gibt und so jedes Start-up eine kleine Produktionslandschaft aufmachen kann – ohne große Kosten.

In der Produktion der Zukunft wird es also keine Bearbeitungsmaschinen mehr geben. Die flexible Produktion der Zukunft deckt alle Arbeitsschritte, bestehend aus additiver Fertigung, mechanischen Bearbeitungsschritten, Laserschweißen, der Produktmontage und der Logistik, ab. Entsprechend den Kundenvorgaben werden unterschiedliche Produktionsspots eingerichtet, die von Bearbeitungsdrohnen mit hoch flexiblen Werkzeugen und autonomen Shuttles bespielt werden können.

Innovativ und nachhaltig

Das intelligente Drohnen-Bearbeitungssystem organisiert den logistisch optimalen Produktionsablauf, fertigt, montiert und verpackt das finale Produkt für die Auslieferung. Auf diese Weise sparen wir in der Herstellung Material, Energie und Raum. Wir belasten die Umwelt weniger und bringen genau die Flexibilität in Produktion und Logistik, die wir uns sowohl als Unternehmer, also auch als Kunde wünschen.

Und sorgen nach über drei Jahrzehnten endlich wieder für echte, lang ersehnte Innovation im Maschinenbau.

Das Konzept im Überblick

  • Ein intelligentes Drohnen-Bearbeitungssystem
  • eine einheitliche Schnittstelle für diverse Werkzeuge
  • mobile und flexible Produktionsabläufe
  • unabhängig von feststehenden Maschinen

Tags: Drohne Flexibilität Produktion

Das könnte Sie auch interessieren

Von der Papier- und Verpackungsindustrie lernen

Diese fünf Tipps erleichtern die Einführung eines MES
MES-Lösungen schaffen Transparenz und zeigen, wo sich die Fertigung rechnet und an welchen Stellen nicht. Doch dies lässt sich nicht einfach 1:1 in die Praxis übertragen. Vielmehr gehen viele Unternehmen die MES-Einführung nur halbherzig oder gar nicht an. Im Jahr 2021 befragte We.Conect produktionsnahe Entscheider in Industrieunternehmen (DACH-Raum) zum aktuellen Stand von smarten MES-Lösungen. Das Ergebnis: Nur 37 Prozent der Befragten nutzen standortübergreifend ein MES.

Leitfaden zur Implementierung von Lean Engineering in KMU 

In diesem Beitrag lesen Sie:warum sich die Implementierung von Lean Engineering in KMU lohnt,wie eine Implementierung von Lean Engineering in KMU möglich ist undwie Lean Engineering in KMU implementiert werden kann.Der Beitrag verdeutlicht die Grundzüge des Lean Engineerings (LE), dessen Entstehung, Merkmale und Einfluss auf den Produktentstehungsprozess. Des Weiteren wird die Ausgangssituation von LE in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aufgezeigt. Ebenso wird die Bedeutung ...

Smart Factory Week – 11. bis 14. September 2023

sponsored
Smart Factory Week 2023 by MPDV – das Online-Event für Einsteiger und Nutzer digitaler Fertigungsprozesse und Management Execution Systems (MES) findet vom 11. bis 14.09. 2023 bereits zum dritten Mal statt. Die MPDV Mikrolab GmbH bietet eine einzigartige Plattform, um sich ausführlich zu den Herausforderungen und Chancen der industriellen Digitalisierung zu informieren. Virtuell und kostenfrei. Industrie 4.0, Smart Factory und digitale Transformation – alles Schlagworte, die ...

Mit Materialflusssimulation zu effizienteren Prozessen

Die erhöhten Anforderungen und die daraus resultierenden komplexer werdenden Herstellungsprozesse zwingen Automobilzulieferer zu immer effizienteren Fertigungsverfahren. Selbst bei innovativen Produktionsverfahren, wie dem Presshärten, müssen sich Zulieferer einem immer stärker aufkommenden Konkurrenzkampf stellen. Es zeigt sich, dass mit Materialflusssimulation ein immenser Beitrag zur effizienten Produktion geleistet werden kann.

Interview mit Friedhelm Nyhuis, GTT Gesellschaft für Technologie Transfer mbH

GTT ist eine Kombination aus Softwarehaus und Beratungsunternehmen mit einem Fokus auf Planung und Steuerung der Auftragsabwicklung und der Materialflüsse in Produktionsunternehmen. Das Unternehmen wurde 1987 als Spin-off des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) der Leibniz Universität Hannover von Friedhelm Nyhuis gegründet, nachdem er dort acht Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Entwicklung von Monitoring- sowie Planungs- und Steuerungsmethoden mitgewirkt ...

Hochhängende Früchte einfach ernten

Smarte Planung für die smarte Fabrik
Smart Factory meint die technische Kommunikation der Produkte mit Fertigungsanlagen, Transportmitteln und Lagersystemen. Häufig bleibt das Streben nach mehr Digitalisierung jedoch auf die Shopfloor-Ebene beschränkt, was schnell auf Kosten der Fabrik gehen kann. Denn die übergeordnete Ebene der Produktionsplanung wird oft vergessen, obwohl dort viel Potenzial für kostengünstige Verbesserungen liegt.