Prozessverbesserung

Interview mit Udo Richter, Exor

06.06.2023
Lesedauer:  9 Minuten
Portrait von Udo Richter von Exor International

EXOR International ist ein weltweit tätiges Unternehmen aus Italien, das seit über 50 Jahren Lösungen für HMI, Steuerung und für das industrielle IoT entwirft, entwickelt und produziert. Mit mehr als 20 globalen Markenkunden aus den Bereichen Industrie, Gebäudeautomation, Schifffahrt und mehr, ist EXOR der Name, dem die einflussreichsten Unternehmen in vielen Branchen ihren Ruf anvertrauen. Vor kurzem hat das Unternehmen seine neue Technologieplattform CORVINA vorgestellt. Wir haben ein Interview mit Udo Richter von der EXOR Deutschland GmbH geführt.

Herr Richter, was verbirgt sich hinter EXOR und CORVINA?

EXOR International hat mit CORVINA ein Tochterunternehmen gegründet, das sich ganzheitlich um das Thema IoT-Plattform kümmert. Das beginnt mit dem Einstieg einer Fernwartung über VPN über Datensammlung bis zur Auswertung auf dem eigenen Marketplace mit eigenen und kundenspezifischen Apps.

EXOR steht somit nicht nur für ein Produkt, sondern für eine branchenunabhängige ganzheitliche Automatisierungsplattform inklusive Hardware- und diversen Softwarekomponenten. Die Plattform umfasst viele Aspekte, u. a. Visualisierung, Thema Steuerungstechnik mit IEC 61131, Fernwartung über VPN sowie Verarbeitung von IoT-Messages auf der IoT-Plattform.

Was sind die Ziele von EXOR?

Das Ziel von EXOR ist es, einer der Marktführer im Bereich IoT zu werden – sowohl auf der Hard- als auch auf der Software-Seite. EXOR deckt dabei die Hardware und die Schwestergesellschaft CORVINA die Software-Brand ab. Aktuell investieren wir vermehrt in Software, insbesondere in Steuerungs- und Visualisierungssoftware. Aber auch unser Hardwareportfolio wird stetig erweitert. Für dieses Jahr planen wir das Release einer neuen HMI und der ersten eigenen IPC-Familie.

EXOR hat beim Factory Innovation Award den Sonderpreis für Interoperabilität gewonnen. Warum haben Sie diesen Preis verdient?

Dieser Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit unseres Entwicklerteams, welches in unterschiedlichen Ländern am gleichen Ziel arbeitet. Eine außergewöhnliche und kundenorientierte IoT- und Visualisierungssoftware auf dem Markt anzubieten. Wir können mit über 200 Automatisierungssystemen und Protokollen kommunizieren, um in die unterste Ebene der Pyramide reinzugehen. Interoperabilität ist aktuell ein sehr wichtiges Thema im Bereich der Digitalisierung und Datenerhebung, weil wir viel Brownfield in der installierten Basis vorfinden. Deswegen ist die hohe Interoperabilität besonders wichtig, da wir die Daten aus der Software und Hardware schnell herausbekommen und sie besser auswerten können.

Was ist Ihr Produkt- und Geschäftsmodell?

Im Wesentlichen orientieren wir uns an vier Aspekten: 

  • Alles aus einer Hand zu liefern, vom SoM (System on Module), welches die Basis aller unserer Geräte ist, bis zur IoT-Plattform-Lösung für Servitization und Digitization.
  • Der Kunde kann aus unseren Produkten sein eigenes Geschäftsmodell generieren.
  • Wir nutzen offene Standards und sind sehr flexibel. Statt uns abzukapseln, setzen wir auf offene Standards, der Kunde kann sich für uns sowohl im Bereich “Best in Class” wie auch “Best in System” entscheiden.
  • Alle Hardware- und Softwarekomponenten werden von uns entwickelt, gefertigt und sind perfekt aufeinander abgestimmt.

Was gefällt Kunden an Ihren Produkten besonders gut?

Unsere Kunden schätzen die niedrige Einstiegshürde. Man kann mit einem VPN-Zugang anfangen und endet beim eigenen Marketplace (CORVINA) p ein White-Label-Produkt, das sehr leicht anpassbar für den Kunden ist. Wir starten mit SaaS, bieten aber auch die komplette Plattform as a Service an. Auf jedem Hardware-Produkt ist bereits die Run-Time vorinstalliert, d. h. sobald es gekauft ist, kann mit einer einfachen Lizensierung gestartet werden. Auch aus einer kommerziellen Perspektive ist die Einstiegshürde sehr gering, das Angebot erstreckt sich von einer Fernwartung bis hin zu einer eigenen, gebrandeten IoT-Plattform.

Welchen Nutzen können Sie mit Ihrer Funktionalität für Ihre Kunden sicherstellen?

Hauptkundennutzen ist, dass alles aus einer Hand ist – wir nutzen modernste Komponenten bei der Hardware, wie auch die modernsten Softwarewerkzeuge. In unserer komplett digitalisierten Fertigung in Verona/Italien kommen alle Komponenten von uns zum Einsatz. Das macht uns zum Power User unserer eigenen Technologie, schafft Vertrauen und unsere Fertigung dient für viele Kunden, die uns besuchen, als gigantischer Showroom.

Thema “Completely Integrated” – wie koppeln Sie Ihre Produkte mit Drittprodukten?

Alle unsere Produkte sind sehr leicht zu integrieren, sowohl auf der Feldebene mit den unterschiedlichsten Anbietern, als auch mit anderen Systemen, u. a. MQTT, OPC UA, und REST API. Man kann es sehr einfach durch die standardisierten Schnittstellen in ein anderes System einbinden. Genau dafür wurden wir beim FI Award für die “Interoperabilität” ausgezeichnet.

Wie stellen Sie eine schnelle Implementierung des Systems sicher und was sollte Ihr Kunde dazu beitragen?

Wir haben eine Customer-Success-Gruppe, die das gesamte Onboarding vor Ort von Anfang an mitbegleitet. Zudem bieten wir sehr gute Online-Tutorials und digitale Trainingseinheiten an. Zusätzlich verfügen wir über eine ausgeprägte Dokumentation: Es gibt Hilfen innerhalb der Software bis hin zum Handbuch und verschiedene Trainingsvideos produziert von unserer eigenen EXOR Academy.

Wie sieht Ihre Zielgruppe aus?

Wir sind aufgrund der Vielzahl der Zertifizierungen (UL, CE, DNV etc.) in unterschiedlichsten Branchen unterwegs, aber wir bieten auch ATEX (sicherheitsrelevante Zertifizierungen) an. Unser Kunde ist in Hinsicht auf Hardware und Visualisierung dem Maschinenbau-Mittelstand aufwärts zuzuordnen. Mit der CORVINA IoT-Plattform gehören jetzt zusätzlich zum Maschinenbau, wo man uns bereits kennt, die produzierenden Unternehmen zu unserer Zielgruppe.

Was macht gerade Ihr Angebot so einzigartig?

Das Portfolio wird dadurch einzigartig, dass über 50 Jahre Erfahrung in diesem Segment einfließen. Auch setzen wir unsere Hard- und Softwarekomponente in unserer Fertigung selbst ein. Wir entwickeln auch Maschinen um die Hardware und Software, wenn wir kein geeignetes Produkt für unsere Anforderung auf dem Markt finden. CORVINA hat sich zeitgleich mit dem Produkt “JSmart” entwickelt, wir haben uns frühzeitig Gedanken gemacht, wie man verhindern kann, hier eine Menge Ausschuss zu haben. “JSmart” ist ein Field Device IP 66 Gerät, das als Steuerung und HMI eingesetzt werden kann. Das Produkt ist rundherum geklebt und kann nicht repariert bzw. geöffnet werden, ohne es zu zerstören. Hier spielen die Themen Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit eine wichtige Rolle. Da es nicht repariert werden kann, muss von Anfang an alles passen. CORVINA wurde entwickelt, um die Qualität zu erhöhen und jeden Fertigungsschritt zu tracken. Von der Wareneingangsprüfung bis hin zum fertigen Produkt werden die einzelnen Schritte überwacht und Fehler frühzeitig festgestellt, damit man sie rechtzeitig beheben kann.

Was ist Ihr USP und was machen Sie besser als Ihre Wettbewerber?

Uns zeichnet eine weitsichtige Planung aus. Wir überzeugen mit 50 Jahren Erfahrung auf dem Markt. Wir nutzen unsere Produkte selbst, d. h., wenn es mit einem Produkt Probleme gibt oder Verbesserungspotenzial besteht, bekommen wir es zuerst mit und leiden zuerst. Deswegen sind wir besonders bestrebt die Produkte funktionell und qualitativ weiterzuentwickeln. Weiterhin haben wir die gesamte Entwicklung, Fertigung und den Vertriebsprozess in unserer Hand. Wir fertigen im europäischen Raum und unser gesamtes Entwicklungs-Know-how liegt in unserer Hand.

Was sind die konkreten Vorteile für Ihre Kunden? Wie können sie von EXOR und CORVINA profitieren?

Unsere Kunden profitieren davon, ein ausgereiftes Produkt zu bekommen. Wir orientieren uns an Markttrends: Aufgrund der eigenen Maschinen, die wir bauen, sind wir stets nah an den aktuellen Trends. Zudem sind wir spezialisiert auf Automatisierung, Visualisierung und Steuerung ☆ bieten also eine besondere Expertise für unsere Kunden.

Wie wollen Sie zukünftig am Markt wahrgenommen werden?

Wir streben eine Wahrnehmung als Komplettanbieter für Automatisierungstechnik von SoM, 4,3 Zoll Web Panel bis hin zur vollständigen IoT-Plattform an.

Welche Bedeutung hat die Hannover Messe für Sie?

Viele unserer Kunden stellen auf der Hannover Messe aus, wodurch die Messe einen besonderen Stellenwert für uns einnimmt. Wir sind besonders stolz, dass wir unseren Award auf so einer wichtigen Messe bekommen haben.

Welche Trends sehen Sie im Bereich der Automatisierung im Maschinenbau?

  • Es gibt einige Trends in diesem Bereich. Das geht von kollaborativer Robotik bis zu autonomen Fahrzeugen und Maschinen.
  • Speziell für uns interessant sind die künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen. Durch den Einsatz von KI-Technologien können Maschinen komplexe Aufgaben eigenständig erlernen, Probleme erkennen und autonom Lösungen entwickeln.
  • Nach wie vor stehen viele Unternehmen erst am Anfang der Industrie 4.0, einem Trend der eigentlich schon kein Trend mehr ist. Vor allem die Integration vom Internet der Dinge, Cloud-Computing und anderen digitalen Technologien in die Fertigungsprozesse. Im Maschinenbau ermöglicht das IoT eine umfassende Vernetzung von Maschinen, Sensoren und Systemen, was zu effizienteren Produktionsabläufen, besserer Datenanalyse und vorausschauender Wartung führt. Genau in diesem Bereich sind wir zu Hause und bieten sehr gute Lösungen mit entsprechender Hard- und Software an.

Wo sehen Sie weitere Herausforderungen für produzierende Unternehmen?

Im Bereich Unabhängigkeit von den Komponenten und Themen wie Energie, Qualität aufgrund von Time to Market und Ressourcen/Manpower. Prozesse müssen klar definiert und mit richtiger Hard- sowie Software unterstützt werden. Unsere Operators sind nach sechs Monaten Onboarding an jedem Punkt der Produktion einsetzbar, d. h. auch ohne vorherige Qualifikation sind sie fachgerecht eingearbeitet.

Stichwort Smart Factory – was macht EXOR hier besonders?

  • Wir “leben” Smart Factory, weil wir seit mehreren Jahren in unser eigenen Smart Factory produzieren. Wir sind, auch dank CORVINA, in der Lage, kurzfristig auf die unterschiedlichsten Gegebenheiten zu reagieren. Aktuell sind das Themen wie Personalmangel und Komponenten. Weiter sind wir in der Lage von Losgröße 1 bis 100 absolut wettbewerbsfähig zu produzieren.
  • Wir überprüfen jeden einzelnen Tag unsere Prozesse anhand von unseren Dashboards und bewegen uns somit in einem andauernden Verbesserungsprozess.
  • Mit CORVINA erweitern wir erstmalig die Zielgruppe Maschinenbauer um die Zielgruppen Systemintegration und produzierende Unternehmen/Smartfactory.

Was macht EXOR zu einem ausgezeichneten Arbeitgeber?

Auf der einen Seite ist EXOR schon seit über 50 Jahren im Markt, was eine gewisse Sicherheit bietet. Auf der anderen Seite haben wir den Umsatz in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. Ähnlich wie in einem Start-Up wurden viele Strukturen, Positionen und Aufgaben neu geschaffen und es gab und wird es auch in Zukunft immer die Möglichkeit geben, entsprechend neue Aufgaben zu übernehmen und sich weiterzuentwickeln. Zudem sind wir ein sehr humanistisches Unternehmen mit großem Rahmen zur Gestaltung.

Was hat Ihnen beim Wettbewerb “Factory Innovation Award” besonders gut gefallen?

Wir sind beeindruckt von der Professionalität des gesamten Prozesses. Aus welchen unterschiedlichen Kompetenzen sich die Jury zusammengesetzt hat, wie tatkräftig unterstütze wurde und die aufkommenden Fragen in dem Bewerbungsprozess gemeinsam gelöst werden konnten.

Herr Richter – herzlichen Dank für das Gespräch!


Tags: Corvina Exor International Internet of Things Interview
Branchen: Branchenübergreifend

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