Aufgrund des steigenden Einsatzes von Robotiklösungen in Logistikunternehmen wächst der Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) nutzen die Potenziale von individualisierten Robotiklösungen bisher nur in sehr geringem Maße. Daher wurde eine zielgruppenspezifische Weiterbildung für Robotik in der Logistik entwickelt, die sich insbesondere an KMU richtet. Durch den modularen Aufbau der Qualifizierungsmaßnahme konnten die einzelnen Weiterbildungsmodule an den Kernarbeitsprozessen beruflicher Facharbeit ausgerichtet werden. Aus der berufswissenschaftlichen Erhebung in verschiedenen Logistikunternehmen sowie der Durchführung der Weiterbildungsmodule konnten wichtige Erfahrungen gesammelt werden, die in Lessons Learned zusammengefasst wurden.
Die Unternehmen in der Logistikbranche setzen zunehmend Robotiklösungen mit dem Ziel ein, die Effizienz des Materialflusses und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Im Rahmen der Studienserie RoboScan, welche Trends und Einsatzpotenziale von Robotiksystemen in der Logistik untersucht, konnte die Entwicklung eines gesteigerten Einsatzes derartiger Systeme in Logistikunternehmen nachgewiesen werden (2007 – 41 %, 2012 – 47 %, 2014 – 67 %) [1]. Die Potenziale von, auf den jeweiligen Anwendungsfall angepassten, Robotiklösungen werden derzeit jedoch von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) nur sehr eingeschränkt genutzt. Daher wurde im Rahmen des Forschungsprojekts „Robotik in der Logistik – zielgruppenspezifische Weiterbildung für Fachkräfte und EntscheidungsträgerInnen“ eine Weiterbildungsmaßnahme konzipiert und durchgeführt, die Hemmnisse gegenüber dem Einsatz von Robotiklösungen insbesondere in KMU abbauen kann [2]. Dabei werden in sechs auf die Zielgruppen abgestimmten Modulen einerseits praxisorientierte Grundlagen vermittelt, die sich an Fachkräfte und An- und Ungelernte richten. Darüber hinaus werden Inhalte angeboten, die sich mit strategischen Fragestellungen im Zusammenhang mit den Einsatzpotenzialen von Robotiklösungen in logistischen Aufgabenstellungen beschäftigen. Diese richten sich an die technische Leitungsebene und an die Geschäftsführung. Im Rahmen der Erhebung, Konzeption und Umsetzung der einzelnen Weiterbildungsmodule wurden wichtige Erkenntnisse für die erfolgreiche Einführung von Robotiklösungen in Logistikunternehmen abgeleitet, die in diesem Beitrag vorgestellt werden.

Methodisches Vorgehen
Ausgehend von einem berufswissenschaftlichen Verständnis wurde ein qualitativer Zugang zur Erschließung relevanter Inhalte beruflicher Facharbeit beim Einsatz von Robotertechnik gewählt. Wie bei vorangegangenen Erhebungen zum Internet der Dinge [3], standen die logistischen Arbeits- und Geschäftsprozesse in den jeweiligen Unternehmen sowie die Kompetenzentwicklung der Anwender/-innen und der Entscheidungsträger/-innen im Fokus. Dabei wurden diese Zielgruppen konkret in ausgebildete Fachkräfte, An- und Ungelernte sowie technische Leitung und Geschäftsführung unterteilt.
Um die Gefahr eines Technologiedeterminismus zu umgehen, wird ein durch Technik beeinflusstes Arbeiten und Lernen als durch Gesellschaft, Betrieb und Individuen zu gestaltendes Element verstanden [4]. Das bedeutet, alle Entwicklungen gehen von dem Verständnis einer arbeitenden Fachkraft in komplexen Arbeitsprozessen aus, die Technik reflektiert und gestaltend einsetzt. In den Aufgabenbereichen von Facharbeit lassen sich drei Dimensionen feststellen, welche diese Komplexität kategorisch darstellen [5]:
- Gegenstand der Facharbeit (Technik, Funktionen, Phänomene und auch Kunden);
- Werkzeuge, Methoden und Organisation der Facharbeit;
- Anforderungen an Facharbeit und Technik (Gesetze, Servicekonzepte, Hersteller, Kunde).
Insgesamt wurden fünf berufswissenschaftliche Fallstudien in unterschiedlichen KMU und Großbetrieben der Logistikbranche zur Analyse von Kernarbeitsprozessen durchgeführt, die die Facharbeit in Zusammenhang mit der Robotik-Anwendung im Betrieb ausmachen. Innerhalb dieser Fallstudien konnten die Organisationsstrukturen beruflicher Arbeitsprozesse mithilfe von leitfadengestützten Expertengesprächen, handlungsorientierten Fachinterviews sowie teilnehmenden Arbeitsbeobachtungen erforscht werden. Die Fallstudien offenbarten firmenübergreifende Potenziale und Hemmnisse, die je nach Zielgruppe und Anwendungsfall innerhalb der Unternehmen die Einführung von Robotiklösungen vorantreiben oder dieser entgegenstehen. Darüber hinaus wurden anhand von Arbeitsprozessanalysen die für den Umgang mit Robotern benötigten Kompetenzen ermittelt und in eine Qualifizierungsmaßnahme überführt. Nachfolgend werden die hierbei identifizierten Kernarbeitsprozesse und darauf aufbauenden Weiterbildungsmodule vorgestellt und um Lessons Learned ergänzt.
Kernarbeitsprozesse und Weiterbildungsmodule
Die Erhebungsergebnisse aus den berufswissenschaftlichen Fallstudien weisen jeweils unterschiedliche Anwendungsfelder der Robotertechnik in der Umschlag-, Handels-, Produktions- und Kontraktlogistik aus. Mithilfe eines Workshops, an dem Berufswissenschaftler/-innen und Entwickler/-innen von Robotik-Anwendungen teilnahmen, konnten unternehmens- und spartenübergreifenden Arbeitsprozesse bestimmt werden, die herausfordernde logistische Arbeitsaufgaben mit Robotertechnik beinhalten und lernförderlich sind. Diese wurden einer Clusterung unterzogen [6] und zu sechs exemplarischen Kernarbeitsprozessen verdichtet. Sie lauten wie folgt:
- Kernarbeitsprozess 1: Einführung von Robotik und vollautomatisierten Systemen
- Kernarbeitsprozess 2: Start, Umsetzung, Gestaltung und Beendigung des Bedienungsprozesses
- Kernarbeitsprozess 3: Inspektion und Wartung vornehmen und gestalten
- Kernarbeitsprozess 4: Reparatur und Optimierung an Robotern und automatisierten Systemen vornehmen und gestalten
- Kernarbeitsprozess 5: Störfälle im Prozess beseitigen
- Kernarbeitsprozess 6: Systematische Fehlersuche im Prozess durchführen
Am Beispiel von Kernarbeitsprozess 3 werden im Folgenden die Wartungs- und Inspektionsaufgaben (WI) beschrieben, die durch Fachkräfte an den Robotiksystemen durchgeführt werden. Dabei werden anhand von Wartungsplänen WI mit Spezialwerkzeugen an steuerungstechnischen, mechanischen und elektrischen Elementen normkonform durchgeführt. Zudem müssen im Rahmen von Instandhaltungsmaßnahmen relevante gesetzliche und betriebliche Regularien aus verschiedenen Perspektiven (spezielle betriebliche Bedarfe, Wirtschaftlichkeit, Arbeitsorganisation, Umweltauswirkungen) beachtet werden. Hierzu müssen bspw. die Vorgaben beim Umgang mit Schmierstoffen und deren Entsorgung oder die Kennzeichnung arbeitssicherheitsrelevanter Bereiche und Komponenten beachtet werden.
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