Technologien, Qualifizierung

Programmieren leicht gemacht

Lesedauer:  4 Minuten

Der Roboter in der Fabrik – hilfreich, aber teuer. Warum nicht bei der Programmierung sparen? Jan Guhl ist Wissenschaftler an der TU Berlin und forscht zur Programmierung von Industrierobotern. Und die geht einfacher als viele denken.

In Ihrem Beitrag geht es um die Programmierung von Robotern. Zum Verständnis: Welche Art von Robotern meinen Sie?

Wir meinen die klassischen Industrieroboter, auch Roboterarme genannt. Was wir nicht meinen, sind mobile Roboter, die herumfahren oder Serviceroboter, die einen in der Hotellobby begrüßen. Unsere Techniken sind aber auch auf diese Arten von Robotern übertragbar.

Wer setzt die Industrieroboter bisher ein? Große Unternehmen oder auch Mittelständler?

Es sind vor allem die großen Unternehmen. Hier in Deutschland besonders der Automobilbau. Das liegt daran, dass die Roboter-Systeme sehr teuer sind. Da sprechen wir schnell von hunderttausend Euro und mehr.

Was kostet hier denn so viel?

Zum einen die Roboter selbst. Zum anderen die gesamte Peripherie, also Werkzeuge wie Greifer oder Schweißzangen, aber auch die Sicherheitseinrichtungen für die Roboterzellen. Damit werden die Roboter von den Menschen getrennt, um einerseits Verletzungen der Menschen zu vermeiden und andererseits die Roboter vor menschlicher Intervention abzuschirmen.

Wollen kleinere Unternehmen überhaupt Roboter einsetzen?

Das ist ein Henne-Ei-Problem. Dadurch, dass der Einsatz von Robotern so viel kostet, kommen kleinere Unternehmen gar nicht erst auf die Idee, sie einzusetzen. Damit verbunden bleiben dann auch die Skaleneffekte aus, die die Roboteranlagen deutlich preiswerter werden ließen.

In Ihrem Artikel ist auch die Programmierung ein großer Kostenposten. Wie viel kostet die?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es ist davon abhängig, welche Aufgabe der Roboter übernehmen soll. Teuer an der Programmierung ist zum einen, dass der Roboter in dieser Zeit stillsteht. Er kann ja nichts produzieren. Zum anderen braucht es Experten, die die Programmierung übernehmen. Jeder Hersteller verwendet eine andere Programmiersprache und die ändert sich auch noch mit den unterschiedlichen Roboter- und Steuerungsversionen. Je nachdem, welchen Roboter ich einsetzen will, braucht es unterschiedliche Experten und Fachwissen, das ich extern dazu kaufen muss  – und das kostet. Das wollen wir mit unserer Forschungsarbeit angreifen.

Wie greifen Sie an?

Wir wollen das Expertenwissen möglichst obsolet machen. Bisher werden Roboter-Programme immer durch eine Bewegung beschrieben. Das heißt: „Roboter bewege dich von einem Punkt zu einem anderen Punkt, mache dort den Greifer auf, lasse dort das Bauteil los und bewege dich zum nächsten Punkt“. Was wir jetzt anders machen: In dem Prozess denken. Das heißt, wir wollen nicht mehr die Roboter-Bewegung selbst programmieren, sondern dem Roboter den Prozess beibringen. Schauen wir uns einen Schweiß-Prozess an. In unserem Artikel haben wir dafür zwei Bauteile zusammengelegt und dann über den Fingerzeig dem Roboter beigebracht, wo die Schweißnaht ist, die er auszuführen hat. Die eigentliche Bewegung, die dazu nötig ist, kann unser System selbstständig aus dieser Benutzereingabe ableiten. Damit ist nur noch das Wissen um den Schweißprozess notwendig, aber nicht mehr das Wissen über den Roboter.

Sie setzen auf Augmented Reality bei der Programmierung, warum das?

Mittels Augmented Reality können wir Zusatzinformationen direkt durch Projektion in das Sichtfeld der Bediener bereitstellen. Am Beispiel des Schweißprozesses ist es die Schweißnaht, die automatisch erkannt wird und nur noch ausgewählt werden muss. Eine Mixed Reality Programmierung wiederum ermöglicht es, Kollisionsgefahren des Roboters mit seiner Umgebung zu erkennen.

Lässt sich denn so einfach in ein bestehendes Roboter-System eingreifen?

Sogenannte Integratoren stellen alle Bestandteile also Roboter, Werkzeuge und restliche Peripherie als ein funktionierendes System zusammen und bieten das so dem Kunden an. Mit unserer Software würden wir in Konkurrenz dazu treten. Allerdings ist dieses Gesamtsystem bisher für statische Aufgaben gedacht. Schauen wir uns die Autoindustrie an: Hier werden an einer Fertigungslinie zwar verschiedene Autos gebaut, die eigentlichen Prozesse bleiben aber gleich. Ein komplett neues Auto auf einer bestehenden Linie zu fertigen, bedarf monatelanger Planungs- und Vorlaufzeit. Mit unserer Software ist es möglich, Prozesse zu flexibilisieren, damit der Roboter auch anders eingesetzt werden kann. Das Hardware-Set-Up bleibt bestehen, bei der Software kommen dann wir ins Spiel.

Eine neue Ausrichtung des Roboters für neue Aufgaben wird also in der Regel extra eingekauft.

Ja, so ist es. Jede Änderung muss neu geplant, beauftragt und umgesetzt werden. Da dies in der Regel von Roboterexperten realisiert wird und nicht vom Unternehmen selbst, müssen Drittfirmen eingebunden werden.

Und das kostet dann auch wieder?

Viele tausend Euro. Unsere Software schafft da Unabhängigkeit und Flexibilität, wo sie gebraucht wird. So können sich teure Roboter-Systeme deutlich schneller rentieren und werden auch für kleinere Unternehmen interessant, die sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren wollen und keine Roboterprogrammierer beschäftigen.

Den Beitrag zum Interview „Roboterprogrammierung vereinfachen“ lesen Sie in der Ausgabe 4/2020 von Fabriksoftware (jetzt Factory Innovation).


Das könnte Sie auch interessieren

Digital X Innovation – Japanische Best Practices in der Fertigungsberatung 

Industrie 4.0, KAIZEN und KVP aus japanischer Sicht
Claudia Schmidt und Chantal Ruppert sprechen mit Satoshi Tachibana, Motohiro Kashihara und Yuta Nakamura über vier Punkte, die bei der Implementierung von KAIZEN zu beachten sind, wie Führungskräfte die Eigeninitiative der Mitarbeiter im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) stärken können und worauf Unternehmen achten sollten, bevor sie ihre digitale Transformation beginnen. Das Interview mit der japanischen Beratungsfirma ABeam fand auf der Hannover Messe 2023 statt.

A Japanese point of view on manufacturing consulting and CIP 

Digital X Innovation - Japanese best practice in manufacturing consulting
Claudia Schmidt and Chantal Ruppert chat with Satoshi Tachibana, Motohiro Kashihara and Yuta Nakamura about four points to observe when implementing KAIZEN, how executives can boost employee initiative in the continuous improvement process (CIP) and what companies should consider before starting their digitalization transformation. The interview with Japanese Consultancy company ABeam was conducted at the Hannover Messe 2023.

Cybersecurity in der vernetzten Produktion

Studie zu IT-Sicherheit in produzierenden Unternehmen
Die Vernetzung und Digitalisierung bringt ein enormes Wachstumspotenzial mit sich und wird in den kommenden Jahren elementar für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein. Die Bedenken hinsichtlich der IT-Sicherheit sind für viele Unternehmen derzeit jedoch ein maßgebliches Hindernis für eine Umsetzung der Digitalisierung. Aus diesem Grund wurde im Rahmen einer Studie am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT ein ganzheitlicher Production Security Readiness Check ...

Perfektes Zusammenspiel

Die Rolle der Mitarbeiter für eine operative Resilienz in der Fertigung
Eine Fabrik ist resilient, wenn sie schnell auf externe Schocks wie Pandemien oder Lieferengpässe reagieren und ihre Leistungsfähigkeit dadurch aufrechterhalten kann. Resilienz begünstigt zudem eine höhere Agilität und Effizienz sowie Steigerung der Rentabilität. Eine stärkere Einbindung produktionsnaher Mitarbeiter in den Produktionsprozess wiederum kann diese Widerstandsfähigkeit deutlich stärken.

Zukunftsträchtige Technologien

Fünf Arten der Prozessoptimierung mit Augmented Reality
Die Verschmelzung von digitaler Welt und Realität ist mehr als eine Spielerei und wird durch digitale Technologien wie Augmented Reality greifbar. Immer mehr Unternehmen wollen Prozesse und Abläufe mit 3D-Modellen, Holografien und Datenbrillen hinsichtlich Kosten- und Zeitersparnis optimieren – sei es bei der Entwicklung neuer Produkte, neuer Geschäftsmodelle oder beim Anlernen neuer Fachkräfte.

Prozesse intelligent automatisieren

Mit künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation zum Erfolg
Obwohl Robotic Process Automation (RPA) seit Jahren existiert, ist das Thema aktueller denn je. Für zahlreiche Branchen weltweit hat sich die Technologie als effektiv erwiesen, wann immer es um die Automatisierung manueller, repetitiver und zeitintensiver Prozesse geht. Die Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Automatisierung kognitiver Prozesse macht das Gebiet zunehmend noch attraktiver.
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Allgemein. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den permalink.