Der Roboter in der Fabrik – hilfreich, aber teuer. Warum nicht bei der Programmierung sparen? Jan Guhl ist Wissenschaftler an der TU Berlin und forscht zur Programmierung von Industrierobotern. Und die geht einfacher als viele denken.
In Ihrem Beitrag geht es um die Programmierung von Robotern. Zum Verständnis: Welche Art von Robotern meinen Sie?
Wir meinen die klassischen Industrieroboter, auch Roboterarme genannt. Was wir nicht meinen, sind mobile Roboter, die herumfahren oder Serviceroboter, die einen in der Hotellobby begrüßen. Unsere Techniken sind aber auch auf diese Arten von Robotern übertragbar.
Wer setzt die Industrieroboter bisher ein? Große Unternehmen oder auch Mittelständler?
Es sind vor allem die großen Unternehmen. Hier in Deutschland besonders der Automobilbau. Das liegt daran, dass die Roboter-Systeme sehr teuer sind. Da sprechen wir schnell von hunderttausend Euro und mehr.
Was kostet hier denn so viel?
Zum einen die Roboter selbst. Zum anderen die gesamte Peripherie, also Werkzeuge wie Greifer oder Schweißzangen, aber auch die Sicherheitseinrichtungen für die Roboterzellen. Damit werden die Roboter von den Menschen getrennt, um einerseits Verletzungen der Menschen zu vermeiden und andererseits die Roboter vor menschlicher Intervention abzuschirmen.
Wollen kleinere Unternehmen überhaupt Roboter einsetzen?
Das ist ein Henne-Ei-Problem. Dadurch, dass der Einsatz von Robotern so viel kostet, kommen kleinere Unternehmen gar nicht erst auf die Idee, sie einzusetzen. Damit verbunden bleiben dann auch die Skaleneffekte aus, die die Roboteranlagen deutlich preiswerter werden ließen.
In Ihrem Artikel ist auch die Programmierung ein großer Kostenposten. Wie viel kostet die?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es ist davon abhängig, welche Aufgabe der Roboter übernehmen soll. Teuer an der Programmierung ist zum einen, dass der Roboter in dieser Zeit stillsteht. Er kann ja nichts produzieren. Zum anderen braucht es Experten, die die Programmierung übernehmen. Jeder Hersteller verwendet eine andere Programmiersprache und die ändert sich auch noch mit den unterschiedlichen Roboter- und Steuerungsversionen. Je nachdem, welchen Roboter ich einsetzen will, braucht es unterschiedliche Experten und Fachwissen, das ich extern dazu kaufen muss – und das kostet. Das wollen wir mit unserer Forschungsarbeit angreifen.
Wie greifen Sie an?
Wir wollen das Expertenwissen möglichst obsolet machen. Bisher werden Roboter-Programme immer durch eine Bewegung beschrieben. Das heißt: „Roboter bewege dich von einem Punkt zu einem anderen Punkt, mache dort den Greifer auf, lasse dort das Bauteil los und bewege dich zum nächsten Punkt“. Was wir jetzt anders machen: In dem Prozess denken. Das heißt, wir wollen nicht mehr die Roboter-Bewegung selbst programmieren, sondern dem Roboter den Prozess beibringen. Schauen wir uns einen Schweiß-Prozess an. In unserem Artikel haben wir dafür zwei Bauteile zusammengelegt und dann über den Fingerzeig dem Roboter beigebracht, wo die Schweißnaht ist, die er auszuführen hat. Die eigentliche Bewegung, die dazu nötig ist, kann unser System selbstständig aus dieser Benutzereingabe ableiten. Damit ist nur noch das Wissen um den Schweißprozess notwendig, aber nicht mehr das Wissen über den Roboter.
Sie setzen auf Augmented Reality bei der Programmierung, warum das?
Mittels Augmented Reality können wir Zusatzinformationen direkt durch Projektion in das Sichtfeld der Bediener bereitstellen. Am Beispiel des Schweißprozesses ist es die Schweißnaht, die automatisch erkannt wird und nur noch ausgewählt werden muss. Eine Mixed Reality Programmierung wiederum ermöglicht es, Kollisionsgefahren des Roboters mit seiner Umgebung zu erkennen.
Lässt sich denn so einfach in ein bestehendes Roboter-System eingreifen?
Sogenannte Integratoren stellen alle Bestandteile also Roboter, Werkzeuge und restliche Peripherie als ein funktionierendes System zusammen und bieten das so dem Kunden an. Mit unserer Software würden wir in Konkurrenz dazu treten. Allerdings ist dieses Gesamtsystem bisher für statische Aufgaben gedacht. Schauen wir uns die Autoindustrie an: Hier werden an einer Fertigungslinie zwar verschiedene Autos gebaut, die eigentlichen Prozesse bleiben aber gleich. Ein komplett neues Auto auf einer bestehenden Linie zu fertigen, bedarf monatelanger Planungs- und Vorlaufzeit. Mit unserer Software ist es möglich, Prozesse zu flexibilisieren, damit der Roboter auch anders eingesetzt werden kann. Das Hardware-Set-Up bleibt bestehen, bei der Software kommen dann wir ins Spiel.
Eine neue Ausrichtung des Roboters für neue Aufgaben wird also in der Regel extra eingekauft.
Ja, so ist es. Jede Änderung muss neu geplant, beauftragt und umgesetzt werden. Da dies in der Regel von Roboterexperten realisiert wird und nicht vom Unternehmen selbst, müssen Drittfirmen eingebunden werden.
Und das kostet dann auch wieder?
Viele tausend Euro. Unsere Software schafft da Unabhängigkeit und Flexibilität, wo sie gebraucht wird. So können sich teure Roboter-Systeme deutlich schneller rentieren und werden auch für kleinere Unternehmen interessant, die sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren wollen und keine Roboterprogrammierer beschäftigen.
Den Beitrag zum Interview „Roboterprogrammierung vereinfachen“ lesen Sie in der Ausgabe 4/2020 von Fabriksoftware (jetzt Factory Innovation).