Zeit für das nächste Level
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Ulrich Dittmaier ist Experte bei Bosch Rexroth im Bereich des Additiven Manufacturing. Fabriksoftware sprach mit ihm über den technologischen Status Quo des 3D-Drucks, künftige Entwicklungen und welche Rolle die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit dabei spielt.
Was fasziniert Sie am 3D-Druck?
Die Gestaltungsfreiheit, die einem diese Technologie ermöglicht. Und, dass man nach kurzer Zeit sein Ergebnis in Händen hält. Die additive Fertigung hat die Herstellung von Prototypen revolutioniert und sich im Musterbau längst etabliert. Jetzt wird es Zeit für das nächste Level.
Der 3D-Druck kommt in unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz – so in der Luftfahrt- und der Automobilindustrie. Worin liegen die technologischen und wirtschaftlichen Vorteile?
Durch additive Fertigung wird die wirtschaftliche Produktion von individualisierten Produkten möglich, Stichwort Losgröße 1. Darüber hinaus ermöglicht der 3D-Druck ganz neue Innen-Geometrien. So können Bauteile, die in der konventionellen Produktion aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden, jetzt in einem Stück gefertigt werden. Neue material- und gewichtssparende Designs werden möglich. Gerade im Mobilitätssektor ist das eine wichtige Anforderung. Aber auch im Maschinenbau trägt der 3D-Druck zu höherer Energieeffizienz bei. Rexroth nutzt dieses Verfahren beispielsweise in der Formenherstellung für Steuerblöcke. Erstmals ist es möglich, durch gebogene Kanäle den Strömungswiderstand der Hydraulikflüssigkeit deutlich zu reduzieren und damit Energie einzusparen.
In der Einzelfertigung leistet der 3D-Druck schon gute Dienste. Der Einsatz in der Serienfertigung hingegen ist noch holprig. Was sind die Ursachen dafür?
Die Bearbeitungszeiten sind beim 3D-Druck noch vergleichsweise lang und die Prozesse oft noch wenig automatisiert. Auf beiden Gebieten sind Verbesserungen absehbar. Eine grundsätzlichere Herausforderung ist der Einsatz eigener, proprietärer Steuerungen bei vielen Herstellern. Sie waren im Anfangsstadium notwendig, um die innovative Technologie zu etablieren. Auf der anderen Seite lassen sich diese Steuerungen oft nur mit hohem Aufwand in die Automationsstruktur vorhandener Fertigungslinien einfügen und die Hersteller haben einen sehr hohen
Engineering-Aufwand, um die Maschinensicherheit normgerecht zu erfüllen. Der Einsatz von Industriesteuerungen schafft da Abhilfe.
In vielen 3D-Druckverfahren ist der manuelle Einsatz noch immer sehr hoch. Warum fällt die An- und Einbindung von neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz so schwer?
Die Hersteller müssen den ersten Schritt vor dem zweiten gehen. Einer der führenden Großformat-3D-Drucker-Hersteller, BigRep, stellt aktuell seine Maschinen auf die CNC-Systemlösung MTX von Rexroth um. Diese Steuerung bringt bewährte Funktionen für alle Bewegungsabläufe und die Maschinensicherheit mit. Sie automatisiert den Druckprozess nahezu vollständig. Sie hat darüber hinaus genügend Rechenkapazitäten für die Prozesssteuerung und sie ist hoch konnektiv. Damit ausgerüstete 3D-Drucker fügen sich über alle gängigen Ethernet-Echtzeitsysteme und einen integrierten
OPC UA Server nahtlos in die vernetzte Fabrik der Zukunft ein. Von da aus ist es der nächste Schritt, künstliche Intelligenz für einen vollständig digitalen Workflow und vollautomatisierte Prozesse einzusetzen.
Sollte dieser Durchbruch gelingen, welche Auswirkungen hätte das auf die Produzenten, zum Beispiel auf deren Lieferketten?
In allen Industrien geht der Trend zu immer kleineren Losgrößen bis hin zu individualisierten Produkten. Der 3D-Druck hat das Potenzial, die Fertigung wesentlich zu flexibilisieren. Eine der ersten Anwendungen wird der Einsatz in der Ersatzteilfertigung sein. Ersatzteile müssen dann nicht mehr auf Vorrat zentral gefertigt und teuer eingelagert werden, sondern können lokal bei Bedarf gedruckt werden. Aber auch andere Einsatzszenarien werden derzeit von Endanwendern geprüft. Grundsätzlich wird die additive Fertigung auf längere Zeit vorhandene Produktionstechnologien eher ergänzen als ersetzen.
Wohin denken Sie, wird die technische Entwicklung im 3D-Druck gehen?
3D-Drucker werden die Vorteile der Automatisierung erschließen, um den Anteil manueller Arbeitsschritte zu verringern und die Reproduzierbarkeit zu steigern. Gleichzeitig wird sich der Workflow – von der Konstruktion bis zum fertigen Bauteil – durchgängig digitalisieren. Parallel sind erhebliche Fortschritte auf der Materialseite und eine Verkürzung der Prozesszeiten absehbar.
Glauben Sie, dass ein Technologieunternehmen allein diese Entwicklungen vorantreiben kann oder wird die Kooperation wichtiger werden?
Kooperationen sind der Schlüssel, um schnell Ergebnisse zu erzielen. Das sehen wir beispielsweise bei unserer Entwicklungspartnerschaft mit BigRep. Maschinenhersteller, Automatisierer, IT-Anbieter und Endanwender müssen eng zusammenarbeiten, um den Gesamtprozess zu verbessern. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind auch standardisierte Schnittstellen, Protokolle und Programmiersprachen, damit die Daten direkt von der Konstruktion an die Maschinen gesendet werden können. Hier zeichnen sich mit OPC UA mit Echtzeiterweiterung TSN und Profilen für die Feldebene erhebliche Fortschritte ab.
Der Erfolg des 3D-Drucks wird begleitet von Rechtsfragen, besonders was das Urheberrecht angeht. Es besteht die Sorge, dass erstmal jeder, der im Besitz von Druckdaten ist und mit dem Druckverfahren vertraut ist, ein Produkt nachbauen kann. Wie geht Bosch Rexroth damit um?
Die Konstruktionsdaten sind ein besonders schützenswertes Know-how. Deshalb hat
Security eine sehr hohe Bedeutung. So arbeitet Bosch Rexroth beispielsweise an der kryptischen Verschlüsselung der NC-Programme mit zugehörigem Maschinenschlüssel, so dass die Konstruktionsdaten nicht kopiert werden können.
Herr Dittmaier, vielen Dank für das Gespräch.