Schlagworte wie Ressourceneffizienz, Industrie 4.0 oder auch Lean Production sind besonders im produzierenden Gewerbe in aller Munde. Die Lernfabrik der Ruhr-Universität Bochum greift diese Themenschwerpunkte auf und bietet sowohl Studierenden als auch Unternehmern eine reale Fertigungsumgebung als Schulungsplattform, um Methoden zur Steigerung der Ressourceneffizienz zu vermitteln. Zusammen mit der Effizienz-Agentur NRW, dem Kompetenzzentrum für Ressourceneffizienz des Landes Nordrhein Westfalen, integrierte der Lehrstuhl für Produktionssysteme der Ruhr-Universität Bochum das Thema Ressourceneffizienz in die seit 2010 bestehende Lernfabrik.
Die Lernfabrik für Ressourceneffizienz nutzt die Vorteile einer realen Fertigungsumgebung für die Vermittlung von methodischem Wissen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz in der Produktion. Durch die Bearbeitung realer Fertigungsaufträge in der Schulungsfabrik wird ein direkter Bezug zur eigenen Betriebspraxis hergestellt [1]. Dabei werden ausdrücklich die Energie- und Materialverbräuche fokussiert, nicht der Personaleinsatz. Die vermittelten Methoden, wie zum Beispiel der PIUS-Check zur Stoffstromanalyse oder das Eco-Cockpit zur CO2-Bilanzierung der Effizienz-Agentur NRW, ermöglichen es Unternehmen die innerbetrieblichen Energie- und Materialverbräuche transparent zu machen sowie Maßnahmen zu deren Reduzierung zu entwickeln [2]. Weiterhin bilden die Ansätze aus der Lean Production eine Grundlage zur Steigerung der Prozesseffizienz hin zu einem optimierten Ressourceneinsatz [3].

Bild 1: Vernetzter Maschinenpark der Lernfabrik für Ressourceneffizienz
Industrie 4.0 wird in der Lernfabrik durch den Aufbau und die Verwendung eines Ressourcenmanagement-Systems vermittelt. Durch die Vernetzung der Anlagen mit einem Manufacturing Execution System (MES) ist es möglich, die Ressourcenverbräuche gezielt zu erfassen und Langzeitanalysen zu erstellen.
Ressourcenmanagement-System
Mit einem Ressourcenmanagement-System werden folgende Aspekte ermöglicht:
- Erfassung der Material- und Energieverbräuche
- Vernetzung der Produktionsanlagen
- Verarbeitung und Auswertung der aufgenommenen Daten
- Rückkopplung der Ergebnisse in den Betrieb der Anlagen und an die Maschinenbediener
Zum Aufbau eines solchen Systems in der Lernfabrik für Ressourceneffizienz wurden verschiedene Sensoren und Messeinrichtungen sowie ein MES installiert (Bild 1).
Eine nachgerüstete Datenerfassung sammelt die Strom-, Druckluft-, Schmiermittel- und Wasserverbräuche an den Maschinen, wobei die Stromverbräuche an den Zuleitungen der Maschinen abgegriffen werden, und überträgt diese an das MES. Die Übermittlung der Daten der Sensoren an die Maschinen erfolgt drahtlos durch ein eigenständiges WLAN-Netz. Dies bietet den Vorteil, dass keine Leitungen verlegt werden müssen und die Anordnung der Maschinen flexibel verändert werden kann. Als MES kommt HYDRA des Anbieters MPDV zum Einsatz. Folgende Betriebsdaten können so erfasst werden (Bild 2):

Bild 2: Datenerfassung mit dem Manufacturing Execution System (MES)
- Auftrags- und Qualitätsdaten
- Betriebszustände der Maschinen
- Korrelationen der Verbrauchsdaten
In der Fertigung stehen mehrere MES-Terminals zur Verfügung, an denen die Maschinenbediener Auftragsdaten abrufen und die Produktionszahlen an den Leitstand zurückmelden. Weiterhin werden direkt vor Ort an den Terminals Prüfpläne angezeigt und die erforderlichen Messwerte eingetragen. Dies wird durch vernetzte Messmittel unterstützt, die die Messwerte direkt an das System übermitteln können. Bei Überschreiten von Toleranzgrenzen und Detektion von Trends wird dem Bediener eine entsprechende Meldung angezeigt. Im Leitstand werden die Aufträge eingeplant und die aufgenommen Verbräuche mit den Betriebszuständen korreliert. Aus diesen können weitere Verbesserungen der Ressourceneffizienz abgeleitet und Umsetzungsprozesse angestoßen werden. Daraus ergibt sich ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess in Bezug auf die Ressourcenverbräuche.
Industrie 4.0 in der Lernfabrik – Aktuelle Forschungsprojekte
Der Lehrstuhl für Produktionssysteme betreut derzeit fünf Forschungsvorhaben zum Thema Industrie 4.0. Die Forschungsergebnisse werden dazu genutzt, um auf der im Rahmen der Lernfabrik für Ressourceneffizienz begonnenen Vernetzung der Produktion eine Lernfabrik für Industrie 4.0 aufzubauen. Die Projekte APPSist und DigiLernPro fokussieren Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Mitarbeiter an den Maschinen und die Unterstützung dieser Mitarbeiter durch digitale Assistenz- und Lernsysteme. Im Vorhaben Sophie wird die echtzeitfähige Kopplung von digitaler und realer Fabrik mithilfe von Agentensystemen untersucht, um Verbesserungen für die Produktionsplanung abzuleiten. Im Projekt Adaption, das zu Beginn des Jahres 2016 startete, wird ein reifegradbasiertes Vorgehensmodell entwickelt, welches es Unternehmen ermöglichen wird, ihre Produktion auf einen individuellen Weg zu Industrie 4.0 zu führen und die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvolle Ausbaustufe festzulegen. Im Projekt Arbeit und Innovation werden Betriebsräte befähigt, den technologischen Wandel pro-aktiv mitzugestalten [4].
Die neue Lernfabrik wird die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die drei Dimensionen Mensch-Technik-Organisation abbilden. Neben diesen Aspekten wird die Lernfabrik Industrie 4.0 auch die Integration von industriellen Robotern in Form der Mensch-Roboter-Kollaboration beinhalten und den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, an Demonstratoren selbst zu erfahren, wie die Arbeit in unterschiedlichen Bereichen einer Smarten Fabrik aussieht [5]. Die durch den weiteren Ausbau der Vernetzung gewonnenen Daten sowie die Verknüpfung der realen Umgebung mit der digitalen Fabrik eröffnen auch für die Lernfabrik für Ressourceneffizienz neue Möglichkeiten. Beispielsweise können in virtuellen Simulationsmodellen ressourceneffiziente Betriebspunkte ermittelt und die Erkenntnisse unmittelbar in der Fertigungssteuerung verwendet werden.
Ausblick
In Zeiten steigender Kosten für den Import von Rohstoffen und zunehmender Konkurrenz aus dem Ausland ist die Senkung der Produktionskosten durch eine Verbesserung der Ressourceneffizienz ein wichtiges Mittel. Die Lernfabrik für Ressourceneffizienz weckt nicht nur bei den Studierenden der Ruhr-Universität Bochum großes Interesse, sondern ist darüber hinaus Schulungsort für Unternehmen aus der Produktion geworden. Das Seminar „Ressourceneffizienz in der Lean Production“, welches im Angebot des Instituts für Wertschöpfungsexzellenz enthalten ist, wird das nächste Mal im 2. Quartal 2017 stattfinden.