Mit OPC UA zur energieorientierten Produktionssteuerung - Factory Innovation
Energie und Ressourcen

Mit OPC UA zur energieorientierten Produktionssteuerung

Lesedauer: 8 Minuten

03. Oktober 2021 von Alexander Wuthnow und Jochen Deuse und Technische Universität Dortmund

Die fortschreitende Energiewende verlangt von Unternehmen einen bewussten Einsatz von elektrischer Energie in der Produktion. Dies erfordert neue Lösungen für die IT-gestützte Produktionsplanung und -steuerung. In diesem Beitrag wird dazu eine Schnittstelle zwischen Manufacturing Execution Systemen (MES) und der Steuerungsebene auf Basis von OPC Unified Architecture (UA) vorgestellt, welche dem Anwender einerseits Transparenz über die Energieverbräuche in der Produktion verschafft und andererseits auch deren gezielte Steuerung ermöglicht.

Ausgelöst durch die Energiewende sind Unternehmen in Deutschland aufgefordert, ihren Umgang mit der Ressource Energie zu überdenken. Schon im Jahr 2020 soll der elektrische Strom zu 35 % aus erneuerbaren Energien – vorrangig aus Wind- und Solarenergie – erzeugt werden [1]. Diese Entwicklung ist zuletzt einerseits mit deutlich ansteigenden Strompreisen und andererseits mit Preisschwankungen einhergegangen, bedingt durch das volatile Einspeiseverhalten der erneuerbaren Energien [2, 3]. Aus diesem Grund rückt der bewusste Umgang mit der Ressource Energie für viele Unternehmen immer stärker in den Mittelpunkt.

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Bild 1: Zeitliche Ebenen der energieorientierten
Produktionsplanung und –steuerung

Energieorientierte Lösungen in der Produktionsplanung und -steuerung

Produzierende Unternehmen, die im Stande sind, ihren Energiebedarf gezielt in Abhängigkeit des aktuellen Angebots einzustellen und die Energie genau dann zu verbrauchen, wenn diese preiswert verfügbar ist, können auf diese Weise nachhaltig ihre Energiekosten senken und aktiv zur Netzstabilität beitragen [3]. Um die Produktivität des Unternehmens dabei nicht zu gefährden, müssen das Energieangebot sowie der Energiebedarf der Produktion bereits frühzeitig in der Produktionsplanung und -steuerung berücksichtigt werden. So kann eine Optimierung zwischen Energiekosten und anderen Planungsgrößen, wie beispielsweise Liefertreue, Bestände und Durchlaufzeit erreicht werden [4]. Wie Bild 1 zeigt, können Ziele hinsichtlich des Energieverbrauchs auf unterschiedlichen zeitlichen Ebenen innerhalb des Planungs- und Steuerungsprozesses betrachtet werden.
Der lang- bis mittelfristige Bereich kann hierbei durch Informationssysteme wie Enterprise Resource Planning (ERP) und der mittel- bis kurzfristige Bereich durch Manufacturing Executions Systeme (MES) unterstützt werden. Dazu wird der für die Produktion erforderliche Energiebedarf bereits in den verschiedenen Stufen der Produktionsplanung berücksichtigt und an das verfügbare Energieangebot angepasst. Für die kurzfristige Steuerung ist vor allem die Vermeidung von Lastspitzen des 15-Minuten-Abrechnungsintervalls relevant, da diese sich direkt in den Energiekosten niederschlagen und sich in diesem Bereich ungeplante Abschaltungen verhindern lassen.
Die Grundlage für eine energieorientierte Produktionsplanung und -steuerung (PPS) bilden Verbrauchsinformationen, d. h. IST-Werte, aus dem Prozess, anhand derer steuernde Eingriffe eingeleitet werden und die zu Stammdaten für die Planung verdichtet werden. Dazu ist es erforderlich, die in der Produktion real auftretenden Energieverbräuche aus den unterschiedlichen Betriebsmitteln in Echtzeit zu erfassen und den übergeordneten IT-Systemen, bezogen auf Produkte, Arbeitsvorgänge und Fertigungsressourcen, zur Verfügung zu stellen. Dazu ist im Folgenden eine Schnittstelle auf Grundlage des OPC UA-Standards definiert worden.

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Bild 2: Zielsetzung beim Einsatz von OPC UA

Die Energie-Schnittstelle in OPC UA

Als Kommunikationsprotokoll zwischen Verbrauchern und den IT-Systemen – in diesem Fall ein MES – wurde der industrielle Standard OPC UA verwendet. Dieser ist gegenüber älteren Spezifikationen, wie z. B. OPC DA, plattformunabhängig und Clients für verschiedene Betriebssysteme sind verfügbar. Der OPC UA-Server ist direkt auf einer Maschinensteuerung lauffähig und ermöglicht somit die unmittelbare Informationsanbindung an die übergeordneten IT-Systeme. Weiterhin ermöglicht die objektorientierte Architektur von OPC UA neben einer Datenschnittstelle auch eine dienstbasierte Schnittstelle, mit der das Datenaufkommen optimiert werden kann. Weitere Kriterien für die Auswahl sind in Bild 2 dargestellt [5].
Der Ausgangspunkt für die Schnittstelle sind die verschiedenen Anwendungen in den Bereichen Energie-Monitoring zur Aufnahme des Energieverbrauchs und Energie-Controlling zur Ansteuerung einer Maschine. Ein wichtiger Anwendungsfall für das Energie-Monitoring ist die Bestimmung des Energieverbrauchs pro gefertigtem Produkt. Dies ermöglicht die Berechnung von produktbezogenen Energiekennzahlen und den Vergleich mit Energieplandaten als Grundlagen einer energetischen Optimierung [6]. Das Energie-Controlling dagegen ermöglicht es, die Maschine während Produktionspausen oder Störungen in Energiesparzustände zu schalten, um die Energieeffektivität zu verbessern. Entsprechend ist die Schnittstelle in je eine Datenstruktur für Energie-Monitoring und Energie-Controlling unterteilt.
Das Energie-Monitoring bietet Energiezähler für die Maschine und für einzelne Verbraucher. Zusätzliche Daten, wie ein Produktzähler oder die ID des aktuellen Produktes, ermöglichen die Zuordnung der Energiedaten zu einer Produktion bzw. einzelnen Produkten. Außerdem ist ein Ringspeicher für die Ergebnisse von zeit- oder teilebezogenen Energiemessungen vorhanden. Hiermit kann auch für schnellere Prozesse der Energieverbrauch sehr genau einem Produkt zugeordnet werden oder der Energieverbrauch z. B. im 15-Minuten-Zyklus auf einfache Weise aufgenommen werden.
Das Energie-Controlling bietet die Möglichkeit, die Maschine durch Vorgabe von Pausenzeiten in einen Energiesparzustand zu schalten. Diese Energiesparzustände sind auf der Steuerung konfiguriert, um für eine vorgegebene Pausenzeit den günstigsten Energiemodus berechnen zu können. Neben der Vorgabe-Schnittstelle und der Konfiguration sind weitere Statusdaten vorgesehen, um auch Zustandsinformation zu erhalten, wenn andere Vorgabequellen wie der Maschinenbediener die Maschine schalten.

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Bild 3: Objektorientierte Architektur der Schnittstelle

Architektur der Schnittstelle

Diese OPC UA-Schnittstelle lässt sich in Form von Funktionsbausteinen (FB) in einer SPS-Bibliothek zum Energiemanagement umsetzen. Wie Bild 3 zeigt, repräsentieren sogenannte „Device-Funktionsbausteine“ hier in einer objektorientierten Architektur die einzelnen Verbraucher der Maschine. Die Device-Funktionsbausteine lesen Energiezähler aus und schalten die Verbraucher in Energiesparzustände. Zusätzlich kann diese Anbindung der Verbraucher durch spezielle Funktionsbausteine für die Feldbus-Energieprofile Sercos Energy und PROFIenergy vereinfacht werden [7].

Die Daten und Zustände der Verbraucher werden in zentralen Funktionsbausteinen aggregiert. Die aggregierten Daten sind dabei unabhängig von der Anbindung der Verbraucher und somit von der untersten Feldbusebene abstrahiert. Bei der Aufbereitung für die OPC UA-Schnittstelle wird ein großer Vorteil der objektorientierten Architektur genutzt. Die Aufbereitung der Schnittstelle erfolgt durch einen SCADA-Collector-Funktionsbaustein, der an den zentralen Baustein zur Aggregation angemeldet wird. Dieser kann alternativ oder zusätzlich zu anderen Collector-Funktionsbausteinen für weitere Schnittstellen, z. B. zur HMI-Anbindung, verwendet werden. Die Schnittstellen sind so flexibler und lassen sich auf die Daten für die jeweiligen Anwendungsfälle reduzieren [7].

Im aktuellen Entwurf ist die OPC UA-Schnittstelle eine reine Datenschnittstelle. Die objektorientierten Mechanismen von OPC UA ermöglichen jedoch auch dienstbasierte Schnittstellen. Beispielsweise könnten die Ergebnisse von Energiemessungen als Events spezifiziert werden. Dabei werden die Übermittlung der Messdaten und die Verarbeitung im OPC UA-Client durch die Steuerung angestoßen, wenn die Messung durchgeführt wurde. Außerdem können die Vorgaben zum Schalten in Energiesparzustände als Methoden auf der Steuerung realisiert werden, die vom OPC UA-Client aufgerufen werden. Die Kommunikation und die Verarbeitung werden auf beiden Seiten effizienter, da z. B. Polling-Mechanismen entfallen.
Mit der Kombination aus Energie-Monitoring und Energie-Controlling lassen sich auch weitere Anwendungsfälle, wie beispielsweise ein Lastspitzen-Management im Rahmen von 15-Minuten-Intervallen, oder die Reduktion von Lastspitzen durch sukzessives Einschalten von Maschinen realisieren. Der Nutzen ergibt sich in den Beispielanwendungsfällen einerseits in einer Energiekostenoptimierung, andererseits in einer höheren „Netzfreundlichkeit“ der Anlage.

Im Hinblick auf das erhöhte Datenvolumen durch den permanenten Austausch von Energiedaten innerhalb einer Produktionsstätte ist es ratsam, auch die Kommunikations-Infrastruktur diesem erhöhten Volumen anzupassen. Viele Informationen die in der Sensor-Aktor-Ebene erzeugt werden sind für die Steuerung nicht relevant, jedoch für die übergeordneten Systeme wie MES oder ERP enorm wichtig. Daher muss in Zukunft auch ein direkter Datenaustausch zwischen ERP, MES und Sensor-Aktor-Ebene parallel zur Kommunikation mit der Controller-Ebene möglich sein und sich die Automatisierungspyramide hin zu einer Automatisierungsmatrix entwickeln.

Dies wird durch die Verwendung des herstellerunabhängigen Protokolls IO-Link erreicht. Dazu wird ein OPC UA-Server in die Feldbus-Module implementiert, der die Informationen der Sensor/Aktor-Welt direkt an die überlagerten OPC UA-Clients wie MES oder ERP-Systeme weitergeben kann. Somit können, mithilfe dieser intelligenten IO-Link Master, Daten aus der untersten Feldebene nahtlos in die überlagerten Systeme übertragen werden.

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Bild 4: Lastmanagement im Zusammenspiel
von Steuerung und MES durch OPC UA

Anwendungsbeispiele

Als exemplarischen Anwendungsfall der Schnittstelle zeigt Bild 4 ein Lastmanagement im 15-Minuten-Abrechnungsintervall. Dazu werden die aktuellen Verbrauchswerte über das Energie-Monitoring der Steuerung an ein MES übermittelt. Innerhalb des MES wird eine Prognose des anstehenden Verbrauchs innerhalb des laufenden 15-Minuten-Intervalls vorgenommen. Sollte eine Überschreitung des definierten Grenzwertes bevorstehen, leitet das MES über das Energie-Controlling die Verbrauchsreduzierung einzelner Maschinen ein und verhindert somit eine kostenintensive Überschreitung des Leistungsmaximums.

Im Rahmen des Forschungsverbundes FOREnergy der Bayerischen Forschungsstiftung wird die beschriebene Schnittstelle in Zusammenarbeit der Partner Balluff GmbH, der Bosch Rexroth AG, der Salt Solutions GmbH sowie der Projektgruppe RMV des Fraunhofer IWU in einen Demonstrator-Aufbau integriert und hierbei unterschiedliche Anwendungsfälle umgesetzt. Dabei wird großer Wert auf die einfache Übertragbarkeit der Umsetzung in reale Produktionsumgebungen gelegt.

Die entwickelte Schnittstelle soll in naher Zukunft als Normungsvorschlag in die Standardisierungsgremien eingebracht werden.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „FOREnergy – Die Energieflexible Fabrik“, welches von der Bayerischen Forschungsstiftung gefördert wird.

MESOPC UASchnittstelle





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