Smarte Sensoren in der Produktion - Factory Innovation

Smarte Sensoren in der Produktion

Lesedauer: 9 Minuten

03. Oktober 2021

Flexible Fertigungs- und Produktionstechnik ist ohne Sensoren nicht mehr vorstellbar. Klassische Konzepte stossen dabei oft an ihre Grenzen. Eine neue Generation von Sensoren entsteht, welche als intelligente Komponenten viele Aufgaben der fortgeschrittenen Signalverarbeitung übernehmen und Umgebungsinformationen aufwandsarm und mit hoher Qualität bereitstellen. Damit lassen sich die Kosten komplexer Automatisierungsszenarien verringern.

Die Welt befindet sich im Wandel. Davon sind auch produzierende Unternehmen betroffen, welche auf immer individuellere Kundenwünsche sowie einen verstärkten Wettbewerb reagieren müssen. Hohe Produktivität und Produktqualität, wirtschaftlicherer Rohstoff- und Energieeinsatz – sind für eine erfolgreiche Teilnahme am Markt unumgänglich. Aber auch Schonung der Umwelt, Sicherheit und Humanisierung der Arbeit bzw. Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind Erfolgsfaktoren. Produktionsprozesse müssen effizient gestaltet und die Produktivität erhöht werden.

Die Automatisierung von Maschinen oder Verfahrensschritten ist seit jeher ein probates Mittel zur Optimierung von Produktionsprozessen. Gerade in den Industrieländern wird ein hoher Automatisierungsgrad angestrebt [1]. Auch die deutsche Industrie setzt konsequent auf Automatisierung [2].

Die Automatisierung von bisher manuell gesteuerten Prozessen erfordert den Einsatz umfangreicher Sensorik. Sensoren und Messtechnik sind in allen Bereichen der Industrie eine nicht mehr wegzudenkende Komponente. Der Einsatz von Sensoren beschränkt sich aber nicht ausschließlich auf den Einsatz in Fertigungsanlagen. Auch im Produktbereich finden sich eine zunehmende Anzahl integrierter Sensoren, insbesondere im Automobilbereich.

Die zunehmend komplexeren Szenarien mit etlichen Sensoren verursachen große Datenmengen und damit eine hohe Auslastung der Kommunikationsinfrastruktur (Bussysteme) sowie neue Herausforderungen bezüglich der Integration in bestehende Systeme (Konfiguration und Anbindung). Klassische Sensorkonzepte stossen hier schnell an ihre Grenzen.

Smarte Sensoren-  Kette der Signalverarbeitung im Überblick

Bild 1: Kette der Signalverarbeitung im Überblick

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Hinzukommen neue Trends und Ideen im Produktionsmanagement: Anwendung des allgemeinen Konzepts der dezentralen Steuerung und der Einsatz autonomer Technologien (wie AutoID) bis hin zu Ideen aus dem Ubiquitous Computing wie Sensornetzwerke. Der Einsatz autonomer Produktionsobjekte ermöglicht eine Komplexitätsreduzierung und eine Einbindung von Vor-Ort-Bedingungen. Intelligente Systeme mit erweiterten Speicher- und Kommunikationsmöglichkeiten ermöglichen Informationsaustausch, Umgebungserkennung und Aufgabendurchführung selbstständig auszuführen [3]. Die Bedeutung der Umgebungswahrnehmung steigt und ist häufig unter dem Begriff der „Real World Awareness“ als die unmittelbare Verbindung der IT (virtuelle Welt) mit der Umgebung (reale Welt) subsummiert. Durch die Umstellung des Produktionssystems auf dezentrale und autonome Produktionsobjekte ändern und erweitern sich die Anforderungen an die Sensorik als wesentliche Komponente.

Ein weiterer Trend ist die Konvergenz der produktionsnahen Informationstechnik und der  betrieblichen Standard-IT-Systeme. Die Automatisierungsinfrastruktur auf der Shop-floor-Ebene ist nicht mehr nur ein abgeschlossenes System, isoliert von den Standardsystemen des Unternehmens, sondern sie wird zunehmend in das gesamte System integriert. Ziel ist die Nutzung vorhandener Teile der Infrastruktur, die schnelle Integration (Plug&Play) von Komponenten (Industrial Ethernet in der Fertigungs- und Produktionstechnik) sowie die Realisierung des uneingeschränkten Informationsaustauschs. Als Konsequenz müssen alle beteiligten Elemente über erweitertere Kommunikationsfähigkeiten verfügen.

Es entsteht der Bedarf an einer neuen Generation von Sensoren. Unter dem Begriff „Smart Sensors“ werden zunehmend erweiterte Sensorkonzepte entwickelt und umgesetzt, die aus den genannten Trends resultierenden Anforderungen gerecht werden sollen.

Der klassische Sensor

Die Messgrösse ist ein zu bestimmende physikalisches Phänomen (z.B Temperatur, die Position oder die Füllmenge). Dieses wird durch geeignete technischen Komponenten (Thermoelement, Lichtschranke, Potentiometer mit Schwimmer) in elektrische Signale umgewandelt, welche auf analoger Ebene zwecks Pegelanpassung verstärkt und gefiltert werden. Anschließend erfolgt die Umwandlung in ein digitales Signal (zeit- und wertdiskret) und die digitale Signalverarbeitung beginnt. Schlussendlich gelangt das digitale Signal über ein geeignetes Interface (Feldbus) zur Messdatenanwendung, die komplexe Verarbeitungsvoränge (Linerarisierung, Spektralanalyse) durchführt und eine Interpretation (als Durchfahrt eines Werkstücks) oder eine Aggregation (Signal erst bei Überschreitung eines bestimmter Schwellwertes) vornimmt. Bild 1 gibt diese Kette der Signalverarbeitung im Überblick wieder.

Architektur smarter Sensoren

Wann ist ein Sensor ein smarter Sensor? In manchen Sprachen wird das englische smart und intelligent gleich übersetzt: intelligent. Im Englischen allerdings gibt es Unterschiede, welche auch Grund für die zwei am häufigsten verwendeten Definitionen sind. Die erste, welche sich hauptsächlich auf die technologischen Aspekte bezieht und die zweite, welche den Fokus auf die Funktionen und damit die Intelligenz legt.

Erstere Definition trifft folgende Aussage: „Ein smarter Sensor ist die Kombination eines Sensorelements, einem Schaltkreis für analoge Signalverarbeitung, einem Analog-Digital-Converter und einem Kommunikationsinterface verbaut in einem Gehäuse.“ [4] Diese war die erste Definition und wird heute weit verbreitet genutzt. Die zweite Definition sagt im Wesentlichen folgendes aus: „…ein intelligenter Sensor wird dann als ein solcher bezeichnet wenn er eine oder mehrere intelligente Funktionen in sich vereinigt“ [4].

Bild 2: Erläuterung die Signalverarbeitung eines Smart Sensors

Bild 2: Erläuterung die Signalverarbeitung eines Smart Sensors

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Verbindet man diese zwei Definitionen ergibt sich folgende: „Ein smarter Sensor ist ein Bauteil welches ohne zusätzliche Komponenten die Funktionen Signalerfassung, -Verarbeitung, -Aufbereitung und die Fähigkeit des Selbsttests, der Selbstdiagnose und der  Rekonfiguration beherrscht.“ [5]

Aber was macht nun einen Sensor zu einem intelligenten Sensor? Oftmals versteht man darunter die Anwesenheit eines Microcontrollers. Dies ist eine notwendige aber keine ausreichende Bedingung. In vielen Fällen wird er lediglich für die Berechnung von im Vorfeld exakt festgelegten Entscheidungsalgorithmen verwendet. Vom Intelligenten also smarten Sensor spricht man erst wenn auch die Funktionen Selbsttest, Selbstdiagnose etc. implementiert sind.

In der Vielzahl der Anwendungen wird die Messgröße nach der elektronischen Wandlung auch aufbereitet (grün dargestellt – siehe Bild 1). Verbesserungen und Innovationen bei Sensoren werden daher zunehmend nicht nur durch eine Weiterentwicklung des eigentlichen Messelements (schwarz) erreicht, sondern durch eine gleichzeitige Weiterentwicklung der Primärelektronik (rot) und der sensorspezifischen Signalverarbeitung (grün). Durch eine abgestimmte Optimierung von Primärsensor, Signalaufbereitung und Signalverarbeitung lassen sich Leistungsmerkmale erzielen, die durch eine Optimierung des Messelements alleine nicht möglich wären.

Vorteile smarter Sensoren

Im weiteren werden einige Vorteile von smarten Sensoren angesprochen und mit ausgewählten Beispielszenarien illustriert.

Verringerung des Bandbreitebedarfs: Dieser Punkt ergibt sich aus der erforderlichen Minimierung des Kommunikationsaufwandes bei verteilten Sensornetzwerken. Da diese überwiegend drahtlos kommunizieren und in industriellen Umgebungen zum einen die zur Verfügung stehende Bandbreite begrenzt ist und zum anderen ein hohes Maß an Störfeldern vorhanden ist (EMV).

Integration von Logik lokal am Sensor: Durch immer leistungsfähigere Elektronik ist es möglich sowohl komplexe Entscheidungsalgorithmen als auch moderne Kommunikationsprotokolle zu implementieren. Hier bietet bereits einige Firmen OPC-UA Client-Server-Anwendungen (z.B. Cortex M3/M4 basierende Architekturen) an. Mögliche Funktionen sind: Mustererkennung, Selbstüberwachung, Störungserkennung, Selbstkalibrierung,  Rekonfiguration, Plug&Play-Konfiguration und Lokalisierung.

Folgendes Beispiel veranschaulicht die beschriebenen Vorteile. In einer Anlage werden zahlreiche Lüfter zur Kühlung eingesetzt. Alle Lüftermotoren müssen hinsichtlich Funktion überwacht werden. Melden nun alle Drehzahlsensoren kontinuierlich ihre Messgrösse entsteht ein hohes Datenaufkommen auf dem verbindenden Bussystem. Typische Zweidrahtbusse (CAN, …) können hier zu Engpässen führen. Andere Systeme (wie der mehradrige Profibus) sind nicht praktikabel installierbar oder es muss die  vorhandene Infrastruktur genutzt werden. Smart Sensors können die Drehzahlen lokal überwachen und diese nur auf Anfrage kommunizieren oder lediglich beim Erreichen festgelegter Schwellwerte eine Störungsmeldung senden.

Preiswerte Multisensoren und Sensorfusion: Mittels moderner Halbleitertechnologie ist es möglich eine Vielzahl von Sensortypen auf einem Chip (Stück Silizium) herzustellen. Hier kann per Lizenzmodell in der Sensorbetriebssoftware die entsprechende Funktion aktiviert werden. Somit lässt sich ein massenhaft hergestellter Sensor differenziert verkaufen bzw. leicht rekonfigurieren.

Einfache Plausibiliätsprüfung der Messgrösse: Beispielsweise können Smarte Sensoren bei der Strahlungsüberwachung eingesetzt werden, welche innerhalb eines Sensornetzwerkes arbeiten. Erfasst ein Sensor einen erhöhten Strahlungswert, kann dieser seine Nachbarn „fragen“, ob diese ebenfalls erhöhte Strahlung messen. Fehlfunktionen können so minimiert oder detailliertere Informationen der Strahlungsverteilung ermittelt werden.

Sicherheit durch redundante Sensoren: Bisher werden z.B. Verfahrpositionen von Linearantrieben bei kritischen Anwendungen per Sensoren überwacht (Detektierung einer Grundstellung mittels eins Öffners und eines Schließers). Hier können smarte Sensoren, welche zusätzlich zur Endlage des Antriebs die Bewegungsrichtung des Verfahrgutes detektieren können (z.B mittels Beschleunigungssensors) sowohl die Plausibilität als auch die Sicherheit bei Ausfall erhöhen.

Einfache Integration: Die Automatisierungslösung muss in die vorhandene Infrastruktur und die bestehenden Prozesse nahtlos eingepasst werden. Sollen in einer Anlage auf Grund von Ausfälle Sensorkomponenten ersetzt werden, kann der Installationsaufwand minimiert werden, indem der neue Sensor bestimmte Konfigurationsdaten von seinen Nachbarn anfordert. Das aufwendige Programmieren mittels Programmiergerät und Techniker entfällt.

Ausblick

Insgesamt ist zu beobachten, dass sich aus bisher vergleichsweise einfachen Sensoren zunehmend höher integrierte und intelligentere Sensorsysteme entwickeln, die über immer leistungsfähigere Hardware verfügen. Je nach Anwendung erfolgt die Signalverarbeitung analog, digital oder als mixed-signal, mit Trend zu möglichst früher Digitalisierung und digitaler
Signalverarbeitung. Der Funktionsumfang der Sensoren steigt. Immer häufiger führen sie eigene Fehlerkorrekturrechnungen durch, kompensieren Querempfindlichkeiten, beinhalten anwendungsspezifische Algorithmen, führen Selbstüberwachung durch und erhalten eigene leistungsfähige Kommunikationsschnittstellen.

Die gesteigerte Leistungsfähigkeit umfasst auch die schnellere Signalverarbeitung mit verringertem Rauschen und höherer Auflösung bei geringerem Energieverbrauch und kompakteren Maßen. Immer häufiger erfolgt die lokale Datenaggregation, d.h. Meldung von Störgrößen oder erreichten Grenzwerten statt der Übertragung von kontinuierlichen Messwerten. Der Einsatz von energieautarken und drahtlos kommunizierenden Sensoren gewinnt an Bedeutung. Die fortschreitende Systemintegration (mechatronisch) erlaubt direkt gekoppelte Sensor-Aktor-Systeme.

Schlüsselwörter:

Smarte Sensoren, Automatisierung, Autonome Technologien

Literatur:

[1] Frank Peter Helmus: Anlagenplanung: Von Der Anfrage Bis Zur Abnahme Wiley-VCH Verlag 2003, S. 19.
[2] Kaun, R.; Schraft, R.D. Berlin u.a.: Automatisierung der Produktion – Erfolgsfaktoren und Vorgehen in der Praxis, Springer 1998.
[3] Freitag, M.; Herzog, o.; Scholz-Reiter, B. (2004): Selbststeuerung logistischer Prozesse – Ein Paradigmenwechsel und seine Grenzen – Ein neuer Sonderforschungsbereich an der Universität Bremen, In: Industrie Management 20. GITO-Verlag, Berlin. S. 23-27.
[4] Huijsing , J.H., Smart Sensor Systems: Why ? Where ? How ?, in Smart Sensor Systems, ed. by Gerard C.M. Meijer, John Wiley and Sons, Chichester, UK, 2008.
[5] Taymanov R., Sapozhnikova K., Problems of Terminology in the Field of Measuring Instruments with Elements of Artificial Intelligence, Sensors & Transducers, Vol. 102, Issue 3, March 2009, pp.51-6, http://www.sensorsportal.com/HTML/DIGEST/P_401.htm.







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