Technologien

Maschinelles Lernen in der Produktion

Anwendungsgebiete und frei verfügbare Datensätze
Lesedauer:  4 Minuten

Steigende Rechenleistungen und bessere Datengrundlagen bei gleichzeitig sinkenden Kosten für Rechen- und Speicherkapazitäten stellen die Basis für den Einsatz von Machine Learning (ML) in der Produktion dar. Herausforderungen bestehen in der Identifizierung aussichtsreicher Anwendungsgebiete, dem Erkennen der mit diesen verbundenen Learning Tasks sowie dem Aufdecken passender Datensätze. In diesem Beitrag werden daher folgende Fragen beantwortet: Welche Anwendungsgebiete in der Produktion bieten das größte Potenzial für den Einsatz von ML? Welche frei zugänglichen Datensätze eignen sich, um eigene Erfahrungen zu sammeln und welche Learning Tasks sind damit verbunden? Was sind Best Practices für die Anwendungsgebiete?

Haupttreiber für den wirtschaftlichen Aufstieg von Hochtechnologieländern stellt die Produktion dar [1]. Die Rolle, welche die Produktion in diesen Ländern spielt, befindet sich im Wandel: Innovation und Produktivität haben eine größere Bedeutung als Wachstum [2]. Im Kontext der vierten Industriellen Revolution steigt der Grad der Digitalisierung und Vernetzung in der Produktion. Die so wachsende Datengrundlage bei gleichzeitiger Kostenreduktion von Rechen- und Speicherkapazität führt dazu, dass Verfahren des maschinellen Lernens („Machine Learning“ oder kurz ML) vermehrt in der Produktion Anwendung finden.

Der Einfluss, den ML und Künstliche Intelligenz (KI) auf die Produktion haben, wird voraussichtlich weiter steigen. Da sich Forschung und Anwendung in diesem Bereich im starken Wandel befinden, fällt es schwer die aussichtsreichsten Anwendungsgebiete von ML zu identifizieren. Im Rahmen dieser Veröffentlichung wird aufbauend auf einer ausführlichen Literaturrecherche eine Übersicht gegeben, in welchen Anwendungsgebieten der Produktion der Einsatz von ML aussichtsreich ist.

Voraussetzungen für den Einsatz von ML

Die wichtigste Voraussetzung für den Einsatz von ML stellt eine ausreichende Datengrundlage dar. Zwar lassen sich über Plattformen wie kaggle, ucirvine, nasa oder openml Datensätze beziehen – eine strukturierte Übersicht der verfügbaren Datensätze bezogen auf die Anwendungsgebiete in der Produktion existiert allerdings nicht. Daher werden in diesem Beitrag frei verfügbare Datensätze vorgestellt und mit den zuvor dargestellten Anwendungsgebieten in der Produktion verbunden. Abschließend werden Empfehlungen für den Einsatz von ML in der Produktion gegeben.

Anwendungsgebiete für ML in der Produktion

Die Entscheidung ML in der Produktion anzuwenden wird aus unterschiedlichsten Gründen und von unterschiedlichsten Verantwortlichen getroffen. In manchen Fällen ist es der Prozessverantwortliche, der ein konkretes Problem lösen möchte, in anderen die Managementebene, die den Einsatz von ML erproben möchte. Grundlage für den Einsatz von ML in der Produktion stellt in jedem Fall die Wahl des richtigen Anwendungsgebiets im Unternehmen dar. Existierende Studien, die einen Überblick über mögliche Anwendungsgebiete aufzeigen, betrachten häufig nur Teilaspekte moderner Produktionsstätten. Eine hohe Abstraktionsebene oder mangelnde Aktualität führen dazu, dass sich diese Studien nur eingeschränkt zur Identifizierung der unternehmenseigenen Problemstellungen eignen [3-14].

Um den Verantwortlichen in der Produktion eine Grundlage für die Auswahl bereitzustellen, wurden am Fraunhofer IPT die in Bild 1 dargestellten Anwendungsgebiete identifiziert. Diese basieren auf einer ausführlichen Literaturrecherche und den Erfahrungen, welche am Fraunhofer IPT in Industrie- und Forschungsprojekten gesammelt wurden. Hier wurde die Bilanzhülle um die wertschöpfenden Prozesse innerhalb der Produktion gelegt – beginnend bei der Produktionsplanung bis hin zur Endkontrolle des Produkts. Anhand der Übersicht lassen sich neue ML-Projekte identifizieren und Ansatzpunkte für die Datensammlung in der Produktion finden.

Die ML-Anwendungsgebiete lassen sich in drei Cluster einteilen: Prozess, Maschinen & Anlagen sowie Produkt. Das Cluster Maschinen & Anlagen besteht beispielsweise aus den Anwendungsgebieten Anomaly Detection, Predictive Maintenance (PdM) und Self-Learning Machines. Zu jedem Anwendungsgebiet sind eine Erklärung sowie Verweise auf Quellen aufgeführt, in denen das Anwendungsgebiet ebenfalls als hochwertig eingeschätzt wird.

Mende u. a., Masch Lernen, Bild 1
Bild 1: Übersicht der Anwendungsgebiete Prozess, Maschinen & Anlagen und Produkt. Hierunter sind Anwendungsgebiete in der Produktion verortet und mit Anwendungen umschrieben [4-6, 8-12, 14].

Steht ein Unternehmen nun vor der Entscheidung ein ML-Projekt in der Produktion auszuwählen, gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen: In einem Top-Down-Ansatz kann zunächst der generelle Bezug der Daten analysiert und das Anwendungsgebiet ausgewählt werden. Liegen viele prozessbezogene Daten vor, kann das Anwendungsgebiet Prozess ausgewählt werden. Werden Prozessdaten zur Qualitätsüberwachung und -kontrolle aufgezeichnet, kann das Anwendungsgebiet Predictive Process Control und eine entsprechende konkrete Problemstellung identifiziert werden. In der zweiten Herangehensweise, mit einem Bottom-Up-Ansatz, wird das Anwendungsgebiet anhand der Problemstellung identifiziert.

Hier ist es sinnvoll, zunächst das Problem zu formulieren, dessen Lösung einen Mehrwert für die wertschöpfenden Prozesse im Unternehmen darstellt. Anschließend erfolgt eine Prüfung der entsprechenden Datengrundlage, inwiefern diese für den Einsatz von ML ausreichend ist und mit welchem Aufwand die Datenvorbereitung und -aufbereitung verbunden ist. Der Aufwand variiert je nachdem ob die Datengrundlage fehlerhaft, Bias-behaftete oder unstrukturierte Daten enthält und ist individuell vom jeweiligen Datensatz abhängig. Eine Einschätzung, ob die Datengrundlage ausreichend ist, muss in beiden Fällen getroffen werden. Dies ist möglich, wenn die beteiligten Mitarbeiter bereits Erfahrungen beim Einsatz von ML mit konkreten Datensätzen gesammelt haben.

Zum Weiterlesen klicken Sie hier


Tags: Künstliche Intelligenz Machine Learning Maschinelles Lernen

Das könnte Sie auch interessieren

Zukunftsträchtige Technologien

Fünf Arten der Prozessoptimierung mit Augmented Reality
Die Verschmelzung von digitaler Welt und Realität ist mehr als eine Spielerei und wird durch digitale Technologien wie Augmented Reality greifbar. Immer mehr Unternehmen wollen Prozesse und Abläufe mit 3D-Modellen, Holografien und Datenbrillen hinsichtlich Kosten- und Zeitersparnis optimieren – sei es bei der Entwicklung neuer Produkte, neuer Geschäftsmodelle oder beim Anlernen neuer Fachkräfte.

Prozesse intelligent automatisieren

Mit künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation zum Erfolg
Obwohl Robotic Process Automation (RPA) seit Jahren existiert, ist das Thema aktueller denn je. Für zahlreiche Branchen weltweit hat sich die Technologie als effektiv erwiesen, wann immer es um die Automatisierung manueller, repetitiver und zeitintensiver Prozesse geht. Die Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Automatisierung kognitiver Prozesse macht das Gebiet zunehmend noch attraktiver.

Mit digitalen Zwillingen resilient gegen Krisen

Zentralisierter Informationsaustausch für den Erfolg
Krieg, Klimawandel, Pandemie: Nie zuvor waren Unternehmen so vielen Krisen ausgesetzt wie heute, mit oft negativen Folgen für die Bilanz. Dabei können vorausschauende Maßnahmen, resiliente Prozesse und Frühwarnsysteme die Handlungsfähigkeit unterstützen. Ein digitaler Zwilling erprobt und testet in einer virtuellen Umgebung Geschäftsprozesse in Krisenszenarien und erkennt dadurch Probleme frühzeitig.

Die Pandemie als Innovationstreiber 

Virtual und Augmented Reality in der Industrie
Plötzlich ging es schnell: Die COVID-19-Pandemie zwang Unternehmen aller Branchen regelrecht zu einer beschleunigten digitalen Transformation. Die Situation mag sich mittlerweile normalisiert haben, doch wenn Unternehmen aus dieser Zeit die richtigen Lehren ziehen, können sie auch in Zukunft neue Technologien schneller und erfolgreicher einsetzen, wie bei Virtual- und Augmented-Reality-Projekten.

Dark Factory – Utopie oder Vision?

Die Rolle von Robotern in der menschenleeren Fabrik
„Maschinen und Künstliche Intelligenz werden Fabriken und Produktionsabläufe eines Tages steuern und den Menschen überflüssig machen.“ Derartige Utopien beflügeln Fantasien und Ängste von Führungskräften und Mitarbeitern. Aber ist die „Dark Factory“, die im Wesentlichen eine Fertigung ohne Menschen vorsieht, überhaupt eine realistische und erstrebenswerte Zukunftsvision, wie gerne behauptet wird?

Technologie gegen den Arbeitskräftemangel

Robotik und Wearables erfolgreich einsetzen
Eine Fabrik ohne Menschen – die „Dark Factory“ – wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Dennoch nehmen die Forderungen nach mehr Robotik wieder zu. Kündigungswellen, der Fachkräftemangel sowie die Nachwehen der Pandemie befeuern dieses Ansinnen. Und es ist durchaus sinnvoll – nur kommt es auf das richtige Maß an. Vor allem aber sollte die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine verbessert werden.