Technologien

Digitalisierung der Wertschöpfungskette in der Industrie 4.0 Durchgängige Digitalisierung beseitigt digitale Lücken in Großprojekten – von der Planung bis zum Betrieb

Lesedauer:  5 Minuten

Großprojekte der Bauindustrie, steigende Komplexitäten von Maschinenbau- und Produktionsanlagen, die Fertigung hochkomplexer Konstrukte sowie unzählige Projektbeteiligte: Alles unter einen Hut zu bekommen, erfordert bereits in der Planung hohe Genauigkeit. Digitale Mittel helfen dabei, Transparenz zu schaffen, den Überblick über anfallende Daten zu behalten und Fehlerquoten zu minimieren. Die Phase der realen Projektumsetzung prägt jedoch eine digitale Lücke. Digitale Daten, gespeichert und verarbeitet in Termin- und Ablaufplänen, Diagrammen oder CAD-Tools, finden ausgedruckt zurück ins Analoge. Involvierte Personen erfassen und dokumentieren Informationen während der Umsetzung nur auf Papier und nicht digital. Wenn doch, verbleiben Daten isoliert in Systemen. Innovative Projektmanagement-Software sorgt für Datenaustausch in Echtzeit und schließt damit die digitale Lücke.

Um in zunehmend digitalisierten Zeiten kosteneffizient zu arbeiten und wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es einen Daten-Hub zur Kollaboration. Dieser führt nicht nur digitale Informationen verschiedener Systeme zusammen, sondern reichert sie im Zuge der Umsetzungsphase weiter an. Ziel dieses Beitrags ist, einen der Automobilindustrie entsprungenen Lösungsansatz aufzuzeigen, der die digitale Lücke bei Großprojekten schließt, und dessen Potenzial auf den Maschinenbau oder die Bauindustrie zu übertragen.

Digital – analog – digital 
Moderne Produktionssysteme zeichnen sich durch hohe Produktivität und Komplexität aus. Veränderte Wettbewerbsbedingungen erfordern einen starken Fokus auf innovative Fertigungssysteme zur Stärkung flexibler und effizienter Produktionsprozesse [1]. Doch Innovationen sollten sich nicht darauf beschränken, denn in Fertigungssystemen und Produktionsprozessen ist die Digitalisierung wahrscheinlich ausgeprägter als in den anderen Projektphasen. Wie der Digitalisierungsmotor stottert, erkennt man in der Bauindustrie. Während die Gebäudeplanung bereits von digitalen Prozessen profitiert, finden Arbeiten in der Bauphase maßgeblich analog statt. Generell und ganz branchenunabhängig kommen bei Großprojekten nach Umsetzungsphase und Inbetriebnahme wiederum stark digitalisierte Systeme und Prozesse zur Anwendung. Das ist zum Beispiel der Fall in der Überwachung von Gebäuden, Maschinen und Anlagen. Und auch Predictive Maintenance spielt eine Rolle im digitalen Universum, denn wenn Experten Strategien der vorausschauenden Wartung implementieren, sparen sie Wartungskosten ein und erreichen eine höhere Anlagenverfügbarkeit [2]. Bild 1 zeigt die Projektphasen zwischen digitaler Planung und digital unterstütztem Betrieb. Es öffnet den Blick in zumeist analoge Welten von Projektmanagement und Fortschrittsverfolgung aktueller Prozesse. Die digitale Lücke, die in diesen Phasen des Projekts entsteht, bezeichnet die Fachsprache als „Medienbruch“.
Obwohl es Software gibt, die Prozesse in der Phase der Beschaffung digital unterstützt, kann es schon hier zu Digital-Analog-Brüchen kommen. Andere Tools helfen, während des Aufbaus von Maschinen, Produktionsanlagen oder Gebäuden Mängel zu erfassen und zu dokumentieren. Wiederum andere Programme ermöglichen das Erkennen des Projektfortschritts mit Fotos. Diese Lösungen haben eines gemeinsam: Es sind Insellösungen.

Digitale Inseln und Datensilos
Eine Insel ist im alltäglichen Sprachgebrauch klar als vollständig von Wasser umgebene Landmasse definiert. Abgekapselt und eigenständig, ohne Verbindung zur Außenwelt, präsentieren sich Insellösungen im Softwarebereich – dort auch Datensilo genannt. Im Allgemeinen wird mit dem Begriff eine isolierte Datenspeicherung in einer, zu einem Fachgebiet gehörenden, Anwendungslandschaft aus Daten, Programmen sowie Prozessen beschrieben [3]. Im Bestreben entwickelt, dem Anwender eine bestimmte Funktionalität anzubieten, benötigt eine Insellösung keine externen Daten aus vorgelagerten digitalen Prozessen, deren Systemlösungen oder Tools. Wenn der Anwender zum Beispiel alle Daten selbst in die Software eingibt und diese die in ihr verarbeiteten Daten nicht mit einem anderen Programm teilt, handelt es sich um eine digitale Insellösung. Heterogene Insellösungen eignen sich zwar für komplexe, eigenständige Prozesse, jedoch nicht für die Zielstellung einer durchgängig digitalen Wertschöpfungskette. Insbesondere in Produktionsbetrieben finden sich in den Bereichen CAD, PDM und PLM oft umfangreiche Datensilos [4]. Der Betrieb von zwei oder drei Datensilos birgt bereits Risiken in puncto isolierter Datenspeicher und eines hohen Aufwands, redundante Datenspeicherungen zusammenzuführen. Ferner entstehen Probleme durch unterschiedliche oder veraltete Stammdaten. Derzeit ist der Ruf nach Digitalisierung in der Bauindustrie laut hörbar: Einem Umfrageergebnis zufolge nutzten bisher weniger als sechs Prozent der Bauunternehmen alle Möglichkeiten der digitalen Planungssysteme. 100 % der Teilnehmer sind sich aber genau dessen bewusst. Die Beteiligten gaben an, das höchste Potenzial digitaler Systeme in der Automatisierung während der Umsetzung zu sehen [5]. Natürlich erreicht nur derjenige den höchsten Grad der Automatisierung, der keine Daten redundant und von Hand in weitere heterogene Softwaresysteme einpflegt.

Bild 1: „Digitale Lücke“ in Projektphasen am Beispiel des Anlagenbaus.

Zehn Jahre voraus: Automotive Industry
Die Automobilindustrie gehört zu den wichtigsten Industriebranchen Deutschlands und nimmt eine Vorreiterrolle ein, wenn es um die Adaptierung neuer Technologien und Lösungsansätze geht. Für einen Original Equipment Manufacturer (OEM) wie Daimler oder Volkswagen hat die Datendurchgängigkeit in der Wertschöpfungskette eine besonders hohe Bedeutung. Zu Beginn eines Projekts, unabhängig ob Greenfield (Neubauten) oder Brownfield (Modernisierung/Umbauten während des Realbetriebs), werden die Planungen in der „Digitalen Fabrik“ umgesetzt. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) definiert die digitale Fabrik als Oberbegriff für ein umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Methoden und Werkzeugen – u. a. der Simulation und dreidimensionalen Visualisierung, die durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden. Ihr Ziel ist die ganzheitliche Planung, Evaluierung und laufende Verbesserung aller wesentlichen Strukturen, Prozesse und Ressourcen der realen Fabrik in Verbindung mit dem Produkt [6]. Nach abgeschlossener Planung geht es an die reale Umsetzung des Projekts, bei der oftmals Herausforderungen zutage treten. Einerseits sind fein strukturierte und durchsimulierte Daten vorhanden. Sie lagern aber in Datensilos fernab von miteinander vernetzten Systemen. So existiert zum Beispiel ein im CAD-System platzierter Roboter nicht nur in einem Mengengerüst bzw. einer Anlagenkomponentenliste, sondern auch in einem Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung(AVA)-System als separate Dateneinträge. Eine weitere Software für die anstehenden Terminplanungen der Projektumsetzung führt den besagten Roboter gar nicht einzeln auf, sondern schließt ihn in der zusammengeführten Zeile „Alle Roboter angeliefert“ mit ein. Andererseits erschwert der mit dem Wechsel in die Umsetzungsphase eines Projekts einhergehende Medienbruch die Arbeit involvierter Parteien, da sie digitale Daten auf der Baustelle nur noch analog nutzen. Zwei Ansprüche der durchgängigen Digitalisierung treten klar heraus: der Bedarf eines Daten-Hubs zur Vernetzung der Informationen aus Datensilos sowie die digitale Begleitung der Umsetzungsphasen von Beschaffung über Aufbau bis Inbetriebnahme.

Zum Weiterlesen klicken Sie hier


Das könnte Sie auch interessieren

Zukunftsträchtige Technologien

Fünf Arten der Prozessoptimierung mit Augmented Reality
Die Verschmelzung von digitaler Welt und Realität ist mehr als eine Spielerei und wird durch digitale Technologien wie Augmented Reality greifbar. Immer mehr Unternehmen wollen Prozesse und Abläufe mit 3D-Modellen, Holografien und Datenbrillen hinsichtlich Kosten- und Zeitersparnis optimieren – sei es bei der Entwicklung neuer Produkte, neuer Geschäftsmodelle oder beim Anlernen neuer Fachkräfte.

Prozesse intelligent automatisieren

Mit künstlicher Intelligenz und Robotic Process Automation zum Erfolg
Obwohl Robotic Process Automation (RPA) seit Jahren existiert, ist das Thema aktueller denn je. Für zahlreiche Branchen weltweit hat sich die Technologie als effektiv erwiesen, wann immer es um die Automatisierung manueller, repetitiver und zeitintensiver Prozesse geht. Die Kombination mit künstlicher Intelligenz (KI) zur Automatisierung kognitiver Prozesse macht das Gebiet zunehmend noch attraktiver.

Mit digitalen Zwillingen resilient gegen Krisen

Zentralisierter Informationsaustausch für den Erfolg
Krieg, Klimawandel, Pandemie: Nie zuvor waren Unternehmen so vielen Krisen ausgesetzt wie heute, mit oft negativen Folgen für die Bilanz. Dabei können vorausschauende Maßnahmen, resiliente Prozesse und Frühwarnsysteme die Handlungsfähigkeit unterstützen. Ein digitaler Zwilling erprobt und testet in einer virtuellen Umgebung Geschäftsprozesse in Krisenszenarien und erkennt dadurch Probleme frühzeitig.

Die Pandemie als Innovationstreiber 

Virtual und Augmented Reality in der Industrie
Plötzlich ging es schnell: Die COVID-19-Pandemie zwang Unternehmen aller Branchen regelrecht zu einer beschleunigten digitalen Transformation. Die Situation mag sich mittlerweile normalisiert haben, doch wenn Unternehmen aus dieser Zeit die richtigen Lehren ziehen, können sie auch in Zukunft neue Technologien schneller und erfolgreicher einsetzen, wie bei Virtual- und Augmented-Reality-Projekten.

Dark Factory – Utopie oder Vision?

Die Rolle von Robotern in der menschenleeren Fabrik
„Maschinen und Künstliche Intelligenz werden Fabriken und Produktionsabläufe eines Tages steuern und den Menschen überflüssig machen.“ Derartige Utopien beflügeln Fantasien und Ängste von Führungskräften und Mitarbeitern. Aber ist die „Dark Factory“, die im Wesentlichen eine Fertigung ohne Menschen vorsieht, überhaupt eine realistische und erstrebenswerte Zukunftsvision, wie gerne behauptet wird?

Technologie gegen den Arbeitskräftemangel

Robotik und Wearables erfolgreich einsetzen
Eine Fabrik ohne Menschen – die „Dark Factory“ – wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Dennoch nehmen die Forderungen nach mehr Robotik wieder zu. Kündigungswellen, der Fachkräftemangel sowie die Nachwehen der Pandemie befeuern dieses Ansinnen. Und es ist durchaus sinnvoll – nur kommt es auf das richtige Maß an. Vor allem aber sollte die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine verbessert werden.
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am Allgemein. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den permalink.