Durch die zunehmende Durchdringung u. a. mit RFID-Technologien, aber auch dem Druck des Marktes zu einer zunehmenden Serialisierung von Produkten, steigt die im Fertigungsbereich anfallende Menge an Daten derzeit drastisch an. Die produzierenden Unternehmen nutzen jedoch die Chancen, die sich daraus ergeben, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, noch nicht. Häufig werden Entscheidungen über die Produktion nur mit Daten aus dem ERP-System getroffen. Dessen Blickwinkel auf die Fertigung ist jedoch nicht hilfreich, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Der vorliegende Beitrag charakterisiert zunächst Entscheidungssituationen des Produktionsplanung und geht dann auf Perspektiven ein, die den Blick auf die Daten in der Fertigung verzerren. Es wird dann der Ansatz des Analytic Manufacturing vorgeschlagen, mit dem es möglich wird, durch eine geschickte Kombination von Daten, Methoden und Organisation die Wettbewerbsfähigkeit der Fertigung erheblich zu steigern und ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.
Entscheidungen im Produktionsmanagement
Idealerweise treffen Manager, insbesondere wenn sie in leitender Funktion in Industrieunternehmen tätig sind, Entscheidungen über die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens. In der Praxis sieht das jedoch anders aus. Viele Manager beklagen, dass sie in das Tagesgeschäft sehr stark eingebunden seien, und vor lauter Einzelfallentscheidungen überhaupt nicht dazu kommen, sich intensiv und nachhaltig mit der Zukunftsfähigkeit und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zu befassen. Manager sollten jedoch, wie bereits Peter Drucker sagte, nicht Geld für die Lösung von Problemen ausgeben, sondern Kapital für die Zukunft bereitstellen. Davenport kritisierte typische Probleme von Entscheidern wie folgt [1]: Entscheidungsabläufe und Ergebnisse sind unzureichend, die Entscheidungen werden unsystematisch und auf der Basis von ständig variierenden Abläufen getroffen. Aus diesem Grund erscheint auch die Verantwortung für eine Entscheidung niemandem direkt zurechenbar zu sein, was das Lernen aus möglichen Fehlentscheidungen erschwert. Der Zusammenhang zwischen Daten, Informationen und Wissen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen, die zu Entscheidungen führen, ist meist außerordentlich schwach ausgeprägt. Gegenwärtig steht in den meisten Produktionsunternehmen kein integrierendes System für die Schaffung einer Datengrundlage vor Entscheidungen zur Verfügung. Anders als im kaufmännischen Bereich, wo sich der Business-Intelligence-Ansatz, zumindest in Großunternehmen, weitgehend durchgesetzt hat, operiert der Fertigungsbereich mit einer Vielzahl von Insellösungen und von lokalen Systemen. Aus diesem Grund werden zahlreiche Entscheidungen, die die Fertigung betreffen, etwa bezogen auf Aufträge, Fertigungsmittel und Produkte [2] nur aus dem Blickwinkel der Daten getroffen, die im ERP-System zur Verfügung stehen. Diese Blickwinkel weisen jedoch erhebliche Mängel auf (v. Bild 1).
Bild 1: Unzulängliche Perspektiven auf Fertigungsdaten.
Die erste Perspektive, die häufig eingenommen wird, ist die Makroperspektive. Statt Probleme und deren Ursachen exakt zu lokalisieren werden allgemeine Zusammenhänge zum Anlass genommen, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Details sind aus der Makroperspektive nicht zu erkennen. Die Daten aus dem ERP-System sind meist höchstens auf Kostenstellenebene disaggregiert und vermögen daher Ursachen für Probleme nicht wirklich offen zu legen. Die zweite mangelhafte Perspektive ist die Buchhaltungsperspektive. Alle betrieblichen Abläufe werden in Werte umgerechnet. Wo dies nicht möglich oder nicht sinnvoll ist, werden Faustformeln und Hilfsregeln angewandt oder Sachverhalte unberücksichtigt gelassen. Die inhärente Mehrdimensionalität der Fertigung, der es stets gleichzeitig um Zeiten, Qualität, Energie und um Werte geht, bleibt dabei vollständig auf der Strecke. Schließlich sind viele Entscheidungen durch die Vergangenheitsperspektive geprägt. Was als Datenbasis zur Verfügung steht, ist schon früher passiert; ein aktueller Eingriff ist nicht mehr möglich, und wenn die Daten zu Problemen der Vergangenheit endlich über das ERP-System ausgewertet vorliegen, sind es längst neue Themen, die Aufmerksamkeit des Managements beanspruchen. Von daher ist es fahrlässig, sich bei Entscheidungen über die Zukunft von Fertigungsthemen überwiegend auf Daten aus dem ERP-System zu verlassen. Vielmehr wird eine angemessene Perspektive auf die Fertigung benötigt, aktuelle Zahlen, die schnell verfügbar sind und mehrdimensionale Auswertungen, die neben werteorientierten Ansätzen auch Zeitprobleme, etwa die Overall Equipment Efficiency (OEE) und Qualitätsthemen (z. B. Traceability) zeigen können.
Bild 2: Derzeit vorhandene Beiträge zur Wettbewerbsfähigkeit.
Der Ansatz des Analytic Manufacturing
Die Situation in der Fertigung ist, was die Datengrundlage betrifft, wesentlich besser als in anderen Bereichen des Unternehmens. Manufacturing Execution Systeme, deren Subsysteme und weitere prozessnahe Systeme liefern derzeit bereits große Datenmengen in Echtzeit. Diese Daten sind grundsätzlich bereits mehrdimensional, d. h. sie enthalten neben Wertansätzen auch Mengen, Zeiten und Qualitätsinformationen. Der Begriff des Analytic Manufacturing beschreibt die umfangreiche Nutzung von Daten, statistischen und quantitativen Analysen, Erklärungs- und Vorhersagemodellen sowie ein faktenbasiertes Produktionsmanagement, um Entscheidungen und Handlungen voran zu bringen. Es kann den Bereich der Business Intelligence eingeordnet werden, geht aber über einfache Berichte weit hinaus.
Bild 2 zeigt, was gegenwärtig mit Berichten aus dem ERP-Sytem in der Produktion möglich ist. Standardberichte kommen aus dem ERP-System, teilweise auch aus MES-Auswertungen. In Einzelfällen sind ad-hoc für akute Problemlagen Berichte erstellbar. Abfragen bzw. ein Drill-Down bis auf die Maschinenebene oder den entsprechenden Auftrag können bereits heute teilweise genutzt werden. Alarmsysteme gestatten es, unmittelbar zu Handlungen aufzurufen, etwa wenn Grenzwerte überschritten werden.
Bild 3: Methoden zur Wettbewerbssteigerung durch Analytic Manufacturing.
Allerdings reichen diese Fähigkeiten für das Analytic Manufacturing nicht aus. Um wirkliche Wettbewerbsvorteile zu erreichen, sind noch zusätzlich die Methoden zu nutzen, die Bild 3 zeigt, also statistische Analysen, Vorhersagen zur Weiterentwicklung bei Anhalten von Trends, Prognosemodelle und auch die Optimierung von Produktionsprogrammen. Bereits der Ansatz der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) versprach diese Optimierung, hat dies allerdings auf Grund mangelnder Hardware und mangelnder Algorithmen nie eingelöst. Auch die Datengrundlage, um wirklich optimale Pläne zu gestalten, war früher nicht gegeben. Das ist heute anders. Allerdings sind zur Nutzung von Analytic Manufacturing eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen [3]. Zunächst müssen saubere Daten vorliegen. Eine Ansammlung von Einzelfällen ergibt noch keine Zeitreihe. Die zweite wesentliche Voraussetzung ist, das die unternehmenseigene IT mit großen Datenmengen angemessen umgehen kann. Kennzahlen müssen definiert werden, die zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit über die branchenweit verfügbaren oder von den Anbietern von MES standardmäßig mitgelieferten Kennzahlen hinausgehen. Organisatorisch muss das Wissen über die anzuwendenden Methoden und die notwendige Bereinigung der Daten an geeigneter Stelle verankert werden. Hier können zunächst einzelne Spezialisten, etwa im Bereich der Fertigungssteuerung aufgebaut werden. Die Methoden müssen dann aber stärker in der Organisation des Produktionsmanagements verankert werden.
Der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Potsdam hat ein Reifegradtool entwickelt, mit Hilfe dessen eine Positionsbestimmung bezogen auf Business Analytics vorgenommen werden kann [4]. Danach werden vier Stufen der Positionierung unterschieden, von defizitär über ad hoc und etabliert bis nachhaltig. Eine nachhaltige Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist dann möglich, wenn ein Dreiklang aus Daten, Methoden und im Team verfügbaren Methodenwissen besteht (Bild 4).
Bild 4: Reifegrad des Analytic Manufacturing
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Dann wird es möglich, Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, indem die strategischen und einzigartigen Fähigkeiten der Fertigung analysiert werden können. Dies schließlich weist einen unternehmensweiten Anspruch aus und erfordert daher das Bekenntnis des Top- und Senior Managements. Das in vielen Unternehmen bereits vorhandene Streben nach umfassender Verbesserung wird durch die wesentlich bessere Datengrundlage deutlich gefördert.
[1] Davenport, T. u. a.: Competing on Analytics. Working Knowledge Research Report, Mai 2005 [2] Gronau, N.: Führungsinformationssysteme für das Management der Produktion. München 1995 [3] Davenport, T. ; Harris, J.: Competing on Analytics: The new Science of Winning.Harvard Business School 2007. [4] www.wettbewerbsfaktor-analytics.de
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